Gemeindehaus Glindow: Frieden mit Gartenarbeit
15 Freiwillige aus Deutschland und Polen helfen beim Sommerlager fürs Glindower Gemeindehaus
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Werder (Havel) - Sie befreien den Vorgarten von hoch gewuchertem Unkraut und die Scheune von Weinranken, die sich ins Mauerwerk fressen und es zerstören: Am Glindower Pfarrhaus sind seit dem gestrigen Donnerstag vier Familien bei einem deutsch-polnischen Sommercamp der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) im Arbeitseinsatz.
15 Menschen helfen der Gemeinde dabei, das Grundstück wieder auf Vordermann zu bringen. Eigentlich sollten es 25 sein, zwei Familien aus Polen haben kurzfristig abgesagt. Nun sind eine polnische und drei deutsche Familien vor Ort. „Das ist das einzige Familiensommerlager der Aktion, sonst gibt es eher welche für Jugendliche und junge Erwachsene“, sagt der Berliner Matthias Arp, der als Ehrenamtler mit seiner Familie angereist ist. Gemeinsam mit den anderen campen sie eine Woche lang in Caputh, helfen währenddessen vier Tage in Glindow und unternehmen am Wochenende gemeinsame Fahrten, beispielsweise zur Tropenhalle Biosphäre in Potsdam.
Das Ganze soll die Völkerverständigung zwischen den Nachbarländern Deutschland und Polen verbessern. Seit 1958 gibt es die Friedensdienste der ASF. Jährlich absolvieren rund 180 Freiwillige in 13 Ländern einen langfristigen Friedensdienst. Die kurzfristige Sommerlagerarbeit begann 1962 mit Arbeitseinsätzen von Freiwilligen beim Enttrümmern zerstörter Kirchen in Magdeburg. Eine der Hauptaufgaben ist der Erhalt jüdischer Friedhöfe.
Im vergangenen Jahr wurde ein jüdischer Friedhof im ehemaligen Schlesien wiederhergerichtet. Für Eva Nowakowska aus Wroclaw (Breslau), die mit ihren beiden Töchtern und ihrem Mann in Glindow dabei ist, war das der erste Einsatz. Eine Freundin hatte ihr die Aktion empfohlen. Für Erwachsene kostet die Woche in Deutschland 70 Euro, den Rest zahlt die ASF aus Spenden und Stiftungsgeldern. „Es ist eine gute Gelegenheit zur Völkerverständigung nach dem Zweiten Weltkrieg und immer noch wichtig, um neue Kriege zu verhindern“, sagt Nowakowska. Schließlich würden Eltern und Kinder Freundschaften untereinander entwickeln und Vorurteile abbauen.
Zumindest in ihrer Familie habe die Arbeit mit den Deutschen die Einstellung zum Nachbarland verändert. „Als Kind wollte ich kein Deutsch lernen, obwohl meine Mutter mir unbedingt Sprachkurse bezahlen wollte“, erzählt die 38-Jährige. Nun lernt die Englischlehrerin in jedem Sommer neue deutsche Vokabeln und hat ihre Abneigung gegen die Sprache der einstigen Besatzer abgelegt. Für ihre Töchter sei die Sprachbarriere sowieso kein Hindernis: Bei der Begrüßung mit den deutschen Familien auf dem Caputher Campingplatz hätten sich die Kinder gleich mit Namen angesprochen, die Verständigung laufe meist mittels Körpersprache. „Für die Kinder ist es hier in Glindow nur ungewöhnlich zu sehen, dass es eine Pfarrerin gibt.“ Aus dem katholischen Polen sei sie keine Frauen in hohen Kirchenämtern gewohnt.
Pfarrerin Andrea Paetel-Nocke ist es auch, die das Sommerlager nach Glindow geholt hat. „In der Heilig-Geist-Kirchengemeinde haben wir ja für alle Kirchen und die vier Friedhöfe nur einen Hausmeister, da kann man nicht alles in Schuss halten.“ Paetel-Nocke hofft, dass im kommenden Jahr wieder Ehrenamtler nach Glindow kommen, um die Friedhöfe aufzuräumen. Enrico Bellin
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