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Unbequem und provokant. Erna, Grete und Mariedl nehmen kein Blatt vor den Mund. „Die Präsidentinnen“ arbeiten nämlich dort, wo jeder Mensch nicht dran vorbeikommt.

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Potsdam-Mittelmark: Ganz unten und ganz laut

Kleine Bühne Michendorf zeigt Werner Schwabs Drama „Die Präsidentinnen“. Am Freitag ist Premiere

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Ihr Leben lang haben sie den Dreck anderer Leute weggemacht oder tun es noch immer. Denn die Rente einer Klofrau ist nicht so berühmt, bei Erna hat sie erst jetzt für einen neuen Farbfernseher gelangt. Einen gebrauchten. Auf dem jetzt eine katholische Messe läuft. In der Wohnküche sitzen „Erna, Grete und Mariedl“, die noch immer putzen geht und von der es heißt, sie greife notfalls auch mal ohne Handschuh in die verstopfte Kloschüssel. Sie lassen den Papst quatschen und reden selber drauf los – über Vergangenes und Träume, Liebhaber, Kinder, die sich nicht fortpflanzen wollen, Geld und Sparsamkeit, über Dackel und Gott. Ein gewaltiger dreistimmiger Monolog aus dem Innersten der Gesellschaft. Oder besser von der Stelle, wo es weh tut. Wo man selten hinhört. Der österreichische Schriftsteller und Dramatiker Werner Schwab hat hingehört und 1990 das Stück „Die Präsidentinnen“ geschrieben. Jetzt wird es in der Kleinen Bühnen Michendorf inszeniert. Am kommenden Freitag ist Premiere.

„Das Stück passt sehr gut in diese Zeit, wo man sich manchmal nur noch unüberlegt angiftet und gern polarisiert. Die drei Frauen sind zwar selbst arm dran, aber auch zueinander sehr grausam“, sagt Karina Lehmann, die Grete spielt. Da wird gegiftet und gezankt, sich gegenseitig verletzt, Gott angerufen und versöhnt. Und doch endet es in einer Katastrophe.

Werner Schwab wurde posthum für das Stück viel kritisiert. Von einem „Fäkaliendrama“ war die Rede, als provokanter Trash wurde es bezeichnet. Weil die drei Damen, die dort arbeiten, wo jeder Mensch nicht dran vorbeikommt und doch keiner hin will, kein Blatt vor den Mund nehmen. Schwab hat den Frauen eine ganz besondere Sprache in den Mund gelegt, Wiener Schmäh mit einer Mischung aus Bigotterie und Derbheit, Sex und Jungfrau Maria. „Grete, immer diese Ausdrücke Immer hört man bei dir nur: Scheißdreck, Scheißdreck, Scheißdreck. Man kann ja auch Haufi sagen oder Stuhl, nicht immer: scheißen, scheißen, scheißen.“ Das nimmt sich aus dem Mund einer älteren Dame im Putzkittel sehr komisch und unangenehm aus. Zudem trägt die sparsame Erna im Haus eine Pelzmütze – ein Fundstück von der Straße, wie sich herausstellt, und schon beginnt es auch einem selbst auf dem Kopf zu jucken. Auch der Kaffee will nicht mehr schmecken, nachdem Erna als Sparmaßnahme vorschlägt, statt Kaffeefilter tue es auch ein Stück Zeitungpapier aus dem Müll. „Der Herrgott wird’s richten.“

Schwab kannte sich aus mit der Unterschicht. Nach einer lausigen Kindheit studierte der 1958 in Graz geborene Sohn einer Haushälterin in mehreren Anläufen Kunst und begann dann zu schreiben. Immer unbequem und provokant. „Er war der Punk unter den Autoren seiner Zeit“, sagt Regisseurin Christine Hofer. Dazu passt es, dass er sich am Neujahrstag 1994 totsoff.

„Die Präsidentinnen“ sind drei Frauen ganz unten, die doch so viel zu sagen haben. Ortrud Meyhöfer, Karina Lehmann und Marlies Hanowski hatten ein ganz ordentliches Pensum an Text zu lernen, noch dazu in einem schwierigen Stil. „Der Schwab hat eine unglaubliche Grammatik“, sagte Meyhöfer. Sie habe bisweilen schon zu Hause so komisch zu reden begonnen. Steffi Pyanoe

„Die Präsidentinnen“, Premiere am kommenden Freitag, 19.30 Uhr im Gemeindezentrum Michendorf, Potsdamer Straße 64. Die Karten kosten, 12 bis 14 Euro, Kartentelefon: (033205) 251 545

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