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Potsdam-Mittelmark: Gebet im Gewerbegebiet
Französische Roma campen in Stahnsdorf
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Stahnsdorf - Sie wollen beten und singen und Gottes Wort verbreiten. Reisende Sinti und Roma aus Frankreich sind derzeit wieder im Stahnsdorfer Gewerbegebiet zu Gast. Auf einer Wiese an der Quermathe haben sie vor einigen Tagen ihr Lager mit rund 40 Wohnwagen, Zelten, Autos und Plastikstühlen und -tischen aufgeschlagen. In einem großen Gemeinschaftszelt wollen sie an diesem Wochenende ab Freitag einen dreitägigen Gottesdienst halten – jeder ist eingeladen, daran teilzunehmen.
„Wir wollen den Leuten helfen“, sagt Pastor Moise. Der junge Mann mit den glatt gegelten Haaren, dem akkurat geschnittenem Bart und der hellbraunen Haut schreitet mit weiten Schritten über die grüne Wiese im Gewerbegebiet. Hinter ihm jagen ein paar Kinder einem Ball hinterher, Musik dudelt aus einem offenen Autofenster und französische Wortfetzen fliegen über den improvisierten Campingplatz. In einem großen Rund haben sie ihre Wohnwagen aufgebaut. „Wir kommen schon seit über 20 Jahren hierher“, sagt der Pastor.
Einmal im Jahr machen sie auf dem Weg von Straßburg zur Nordsee in Stahnsdorf halt, immer nah bei der großen Stadt Berlin. Hier werde die Hilfe der Evangelen am ehesten benötigt, sagt Moise. Drogen, Alkohol, Missbrauch – an den Fingern zählt der Pastor die Missstände der Großstadt auf. Wer ihnen erlegen sei oder unter ihnen leide oder litt, könne zum Gottesdienst kommen, um Hilfe zu erhalten, zu neuer Stärke zu gelangen. Mit über hundert Teilnehmern aus ganz Europa rechnet Moise an diesem Wochenende. Eigens werde dafür auch ein Pastor aus London anreisen. Zu Gast seien auch Mitglieder der Familie Kwiek, einer bekannten osteuropäischen Roma-Familie.
Aus Sicht der Polizei gibt es keine Sorge zur Beunruhigung: Probleme habe es bei den regelmäßigen Treffen der Roma-Familien in Stahnsdorf noch nie gegeben. Die Anwesenheit der Roma sei bekannt und darüber hinaus bei der Gemeinde angemeldet. Auch im Rathaus selbst ist man auf die regelmäßigen Gäste inzwischen vorbereitet, sagt Gemeindesprecherin Lena Knote. Ihr Lager mussten sie in diesem Jahr allerdings etwas verschieben, weil im Gewerbegebiet weitere Flächen verkauft und bebaut wurden.
Die in Stahnsdorf rastende Gruppe nennt sich selbst „Salva Taikon Carlos“. „Wir sind Roma, aber nicht aus Rumänien“, erklärt Pastor Moise. Bereits in fünfter Generation lebten sie als französische Landfahrerleute. Etwa vier Monate im Jahr schlagen sie ihre Zelte bei Straßburg im Elsass auf, die restliche Zeit seien sie vor allem in Deutschland unterwegs, in Hamburg, im Saarland, aber auch in Holland. Die jüngste in ihrer Gruppe sei erst sechs Monate alt, das älteste Mitglied 61 Jahre. Bereits vom Morgen an wollen sie am Wochenende in ihrem Gemeinschaftszelt beten, sagt Moise, mindestens eine Stunde lang. „Wir glauben daran, dass Gott heilen kann“, erklärt der Pastor. Außerdem werde viel gesprochen, gesungen und gepredigt. Tobias Reichelt
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