Potsdam-Mittelmark: Gefahr für Nerven, Augen und Gehör?
Ingo Kock sprach beim Heimatverein über die Geschichte des Tonfilms
Stand:
Ingo Kock sprach beim Heimatverein über die Geschichte des Tonfilms Werder. „Professor für Tongestaltung“, so stellte der Vorsitzende des Heimatvereins, Baldur Martin, den Referenten des Abends, Ingo Kock, vor und fügte hinzu: „Tongestaltung hat aber nichts mit der Glindower Ziegelei zu tun.“ Ein netter Kalauer. Nein, es ging natürlich um den Filmton, in der Bandbreite „vom Phonographen bis zum Digitalton“. Der in Werder lebende Ingo Kock lehrt an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in Babelsberg und kommt aus der Praxis: In den DEFA-Filmstudios hat er als Toningenieur gearbeitet. Mit Leinwandprojektionen stellte er die Geschichte des Tonfilms vor. Viele Einzelheiten dürften dem Publikum, aufgewachsen mit Mono-Schallplatte und später Dolby-Stereo, nicht bekannt gewesen sein, beispielsweise, dass der erste „Phonograph“ 1878 von Thomas Edison (dem Glühlampen-Edison) patentiert wurde, der aber 1888 schon vom „Grammophon“ mit seiner besseren Tonqualität abgelöst wurde. Ein Trichter diente als Verstärker, und es gab zusätzliche „Hörschläuche“, die man sich ans Ohr hielt. Im Jahre 1903 kombinierte man Grammophonmusik mit Filmprojektoren, die ersten „Kino-Tonfilmtheater“ entstanden, und 1910 wurde ein erstes eigens als Kino gebautes Gebäude am Berliner Nollendorfplatz errichtet. Die Babelsberger Filmgeschichte begann damit, dass man nach alternativen Standorten im Umland suchte, weil die Filmproduktion im dicht bebauten Berlin zu feuergefährlich war, also zog man nach Babelsberg, in die ehemalige Kunstblumenfabrik. 1912 entstand hier als erster Film „Der Totentanz“ mit Asta Nielsen. Der Stummfilm war zur damaligen Zeit fest etabliert, er war ja nicht „stumm“, sondern wurde von Musikern begleitet, von einer Orgel oder einem Orchester. Als 1926 der größte Stummfilm aller Zeiten, „Metropolis“ von Fritz Lang, in der Großen Halle des Ufa-Geländes Babelsberg gedreht wurde, hatte man den Zug der Zeit verpasst: Die Erfinder des „Lichttons“ verkauften die Rechte in die USA, weil in Deutschland heftig gegen den Tonfilm polemisiert wurde. „Der Tonfilm verdirbt Gehör und Augen!“ und „Der Tonfilm wirkt nervenzerrüttend!“ hieß es auf Plakaten. Doch hielt der Tonfilm wenig später auch in Deutschland Einzug. 1930 wurde in Babelsberg das große Tonkreuz mit vier Tonstudios errichtet; viele Unterhaltungsfilme entstanden hier während der Nazizeit. Nach dem Krieg wurde die Kultur wieder aufgebaut, und schon 1945 wurde der erste Nachkriegsfilm hier gedreht: „Die Mörder sind unter uns“ mit Hildegard Knef. Technisch gesehen war man damals am Boden, alle Geräte in die UdSSR abtransportiert, aber man bastelte Magnetfilmapparturen, eine Technik, die lange Bestand hatte. Neue Filmformate entstanden, sogar Breitband 70 mm. „Das konnten sich nur die Länder mit „U“ leisten", erzählte Kock einen Witz von damals, „die USA, die UdSSR, und Unsere DDR“. Die technische Entwicklung ging weiter, seit den Siebziger Jahren mit Dolby-Stereo-Rauschminderung, seit den Neunzigern mit digitaler Tonübertragung und mit immer mehr und immer raffinierteren Lautsprechern. Ingo Kock führte vor, wie sich die immer perfektere Technik zuletzt selbst ad absurdum führt, weil sie nicht mehr praktikabel ist. Ein Werbetrailer, von Filmstudenten hergestellt, rundete den Vortrag ab; die Zuschauer konnten in drei Versionen erleben, wie vielfältig ein Film mit Geräuschen, Sprache und Musik unterlegt ist. Elisabeth Richter
Elisabeth Richter
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: