Von Klaus Büstrin: Geistliches im Musicalsound
Angelika Milster gab umjubeltes Konzert in Werders Heilig-Geist-Kirche
Stand:
Werder - Die Heilig-Geist-Kirche auf der Insel quillt am Samstagabend mit Besuchern über. Wohl nur noch selten sieht man so viele Menschen auch in diesem Gotteshaus. Viele Werderaner wollen Angelika Milster erleben, die Sängerin und Schauspielerin, die man vom Fernsehen, aber auch von der Bühne her kennt.
Hier in der Inselstadt sollte die Kirche ihre Bühne werden. Seit mehreren Jahren ist sie fleißig unterwegs und singt in Gotteshäusern großer und kleiner Städte. „Die Kirche ist ein Ort der stillen Einkehr, ein Ort der Besinnung und des Gebets, aber auch ein Ort der Musik. Sie ist die Verbindung zwischen Gott und der Seele", so ihre Erklärung zum Kirchenkonzert. Und so will sie in diesen Räumen geistliche und klassische Lieder zu Gehör bringen, Lieder die ihr am Herzen liegen. Doch auch Musicalmelodien.
Als Angelika Milster durch das dunkle Kirchenschiff geht, bekleidet mit einem langen schwarzen Pelzmantel, wird sie dezent von einem zurückhaltend warm leuchtenden Scheinwerfer begleitet, der auf sie auch im Altarraum die nächsten neunzig Minuten gerichtet ist. Auf dem Altar brennen die Kerzen und auch der Osterleuchter ist angezündet. Eine dichte Atmosphäre. Dann ertönt kraftvoll die Orgel auf der Empore. Angelika Milster beginnt mit dem Arioso „Dank sei dir, o Herr“, das Georg Friedrich Händel zugeschrieben wird. Die Sängerin begrüßt die Zuhörer und weist daraufhin, dass sie keine Ansagen zu den Liedern machen werde. Und die Werderaner werden von nun an im Dunkeln über das Programm gelassen, es sei denn man erkennt einige populäre Titel. Es wäre aber besser gewesen, Angelika Milster hätte doch ein paar Anmerkungen zu den Liedern gemacht, ihre allgemeinen Zwischenkommentare hätte sie sich schenken können.
Händels ergreifende Arie „Lascio ch“io pianga“ aus der Oper „Rinaldo“ ist zu hören oder die zur katholischen Messe gehörenden Gesänge „Panis angelicus“ von Cesar Franck oder Georges Bizets „Agnus Dei“. Eine interessante Neuentdeckung: die effektvolle Vertonung des in der Liturgie beheimateten „Kyrie eleison“ von dem italienischen KomponistenCarlo Rustichelli, der durch seine Musik zu 400 Filmen, unter anderen für Pasolini und Wilder, bekannt wurde.
Angelika Milster benutzt für ihr Singen weitgehend die Bruststimme, den Musicalsound. Dadurch wirkt ihre Stimme in den geistlichen Liedern oftmals hart und undifferenziert. Auch die Tiefe ist nur gehaucht, ohne festes Fundament. Und sie geht mit einer unangemessenen Lautstärke zu Werke, dass es zum Gotterbarmen ist. Beim zarten„Guten Abend, gut“ Nacht“ von Johannes Brahms würde jedes Kind durch ihr Singen aufschrecken.
Doch welch eine wunderbare sängerische Qualität ist im zweiten Teil des Konzerts zu vernehmen. Bei den Musicaltiteln aus „Amadeus“, „West Side Story“ oder als Zugabe aus „Cats“ betritt sie ihre eigentliche Domäne. Hierbei klingt ihre Stimme voller Nuancen. Da kann sie zärtlich sein und mit hymnischem Glanz aufwarten, besser kann es wohl kaum einer. Das Publikum ist begeistert und spendet lang anhaltende Ovationen.
Doch ihrem langjährigen musikalischen Begleiter, Jürgen Grimm, nimmt die Sängerin selten in den Applaus mit hinein. Er spielt die Titel, die wohl kaum für Orgel komponiert wurden, mit großer Souveränität. Nach dem Lied von „Der Mond ist aufgegangen“ verschwindet die Musical-Diva aus der Kirche hinaus ins Dunkle, begleitet vom Beifall und einem Scheinwerfer.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: