
© Eva Schmid
Potsdam-Mittelmark: Gemeinschaftsprojekt Supermarkt
Der einzige Nahversorger machte vor Jahren dicht. In Seddin wollte man sich aber nicht damit abfinden, immer in die Nachbarorte zu fahren, um den Einkauf zu erledigen. Bürger und Gemeinde kamen auf eine außergewöhnliche Idee
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Seddiner See - Ein Supermarkt schweißt zusammen: Vor sieben Jahren machte der Rewe-Markt in Seddin dicht. Andere Supermarktketten lehnten daraufhin den Standort als unrentabel ab. Damit abfinden wollten sich die Seddiner aber nicht. Bei einer Partie Boule entstand die Idee für ein außergewöhnliches Projekt: Bürger und Gemeinde organisieren jetzt ihre Nahversorgung selbst. Gemeinsam bauen sie einen eigenen Laden. In drei Monaten zieht wieder Leben in den ehemaligen Rewe-Markt ein, die Regale werden dann wieder prall gefüllt sein.
Der neue Markt in der Hauptstraße nennt sich DORV-Zentrum. DORV steht für den sperrigen Begriff Dienstleistungen und ortsnahe Rundumversorgung. Das Konzept (siehe Kasten) sieht nicht nur einen kleinen Supermarkt vor – auch ein Kultur- und Freizeitzentrum entsteht in dem geräumigen, ebenerdigen Bau. Für ihr Projekt haben die Seddiner mit ihrer Gemeindeverwaltung eine GmbH & Co. KG gegründet. Sie verwaltet den Markt, ein Café und weitere Räume.
„Auf 160 Quadratmetern planen wir hier ein Vollsortiment“, erklärt Michael Schmidt bei einer Baustellenbesichtigung. Zusammen mit anderen Seddinern hat er für das Gemeinschaftsprojekt eigens einen Verein gegründet, den DORV-Club Seddin. Stolz zeigt Schmidt auf eine lange Glasfront am Gebäude. Direkt neben dem Supermarkt soll das Café entstehen, ein heller Raum mit großen Fensterscheiben. „Hier an die Wände werden Bücherregale kommen, Gäste können Bücher mitbringen und die gegen andere eintauschen“, erklärt der 67-jährige Seddiner die Idee des Lesecafés. Nur wenige Schritte entfernt vom Café ist die Terrasse mit Blick auf den Seddiner See. Daneben grenzen Holzbalken eine Boulebahn ein. Sportlich geht es auf dem Außengelände weiter: Dort stehen drei Sportgeräte für Erwachsene, daneben eine Tischtennisplatte. „Vorstellbar ist auch, dass wir hier eine Radstation errichten“, so Schmidt. Wenn vorbeiradelnden Touristen die Luft ausgehe, könnten sie anhalten und im Café eine Rast einlegen. „Es muss sich ja rechnen“, sagt Schmidt.
Die Umsatzzielgröße liege bei 500 000 Euro pro Jahr. So würden Bürger und Gemeinde, denen das DORV-Zentrum gehört, schwarze Zahlen schreiben. Neben dem Verkauf von Lebensmitteln wolle man noch weitere Angebote schaffen: In einem rund 80 Quadratmeter großen Raum im hinteren Teil des Gebäudes werden Kurse für Yoga, Pilates und Senioren-Gymnastik angeboten. Den Mehrzweckraum wird die Gemeinde für ihre Sitzungen nutzen. Auch Kinoabende und Kulturveranstaltungen sollen dort stattfinden. Eine geräumige Küche bietet die Möglichkeit für Kochevents.
„Das Projekt basiert auf einem Bottom-up-Ansatz“, erklärt Michael Schmidt. Es sei nur das umgesetzt worden, was ein Großteil der Bewohner der Gemeinde sich gewünscht habe. „Die Erfinder des DORV-Konzepts sind aus Nordrhein-Westfalen angereist, um uns zu beraten“, erinnert sich Schmidt. Sie haben die Machbarkeit eines solchen Zentrums für die Region untersucht. Das Ergebnis: Das Projekt wird sich tragen, der Bedarf ist vorhanden.
Insgesamt 900 000 Euro kostet der Komplettumbau des ehemals verfallenden Gebäudes. Fast die Hälfte der Kosten wurde durch Fördermittel der Europäische Union finanziert. Zudem werden mehrere Vollzeit- und Teilzeitstellen geschaffen. Auch das Geld für die Außenanlage in Höhe von 50 000 Euro holte der DORV-Club Seddin über einen Wettbewerb herein. Nicht immer verlief es reibungslos: Michael Schmidt erinnert sich noch gut daran, als das Projekt im vergangenen Jahr zu scheitern drohte.
„Wir hatten grünes Licht, die Fördermittel sind schon bewilligt gewesen“, dann kam die böse Überraschung: Der Verein mit seinen 70 Mitgliedern konnte die wichtigste Auflage nicht erfüllen. Die sah ein Betreiberkonzept vor, Rewe und Edeka sagten ab. Die Lösung in letzter Minute: Die Gemeinde ist durch eine Verwaltungsgesellschaft mit ins Boot gestiegen. Sie steuerte per Gemeindevertreterbeschluss das Stammkapital von 25 000 Euro für eine GmbH & Co. KG bei. „Aber nur unter der Voraussetzung, dass wir eine Bürgerbeteiligung von 50 000 Euro sicherstellen“, so Schmidt. Das sei gelungen – 140 Leute hätten gespendet. Um das operative Geschäft kümmert sich bisher der DCS-Vorsitzende Schmidt, der Bauamtsleiter der Gemeinde Detlef Kloos und der Chef des Wasser- und Abwasserzweckverbandes Nuthe Nieplitz, Karl-Heinz Brügmann. Bis zur Eröffnung am 28. März kommenden Jahres ist noch einiges zu tun: Verträge mit regionalen Zulieferern müssen geschlossen, die Kabel verlegt, die Wände gestrichen werden. Auf der Baustelle liegen bereits die Boulekugeln von Michael Schmidt. Sie haben dort einen Ehrenplatz – denn ohne sie wäre das Projekt womöglich nie ins Rollen gekommen.
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