Potsdam-Mittelmark: Generation Gold
„Die wahre Geschichte des FC Bayern München“ – so der Untertitel der von Thomas Hüetlin verfassten Bayern-Monografie „Gute Freunde“. Was Hüetlin mit „wahr“ meint, ist vor allem eins: Von Anfang an schreibt der „Spiegel“-Journalist gegen den dummen, aber nach wie vor wirksamen Mythos vom herzlosen Geld- und CSU-Verein an.
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„Die wahre Geschichte des FC Bayern München“ – so der Untertitel der von Thomas Hüetlin verfassten Bayern-Monografie „Gute Freunde“. Was Hüetlin mit „wahr“ meint, ist vor allem eins: Von Anfang an schreibt der „Spiegel“-Journalist gegen den dummen, aber nach wie vor wirksamen Mythos vom herzlosen Geld- und CSU-Verein an. Dieser Übermacht werfen sich dann, so will es der Mythos, wagemutig immer wieder Vereine entgegen, die selbstverständlich aus der sozialdemokratischen Blut-, Schweiß und Tränenecke stammen – mit wenig Erfolg, denn der FC Bayern wirbt regelmäßig mit viel Geld deren bestes Personal ab.
Hüetlins andere Bayern-Geschichte relativiert diesen Mythos: Er erzählt die Clubhistorie als Geschichte einer Emanzipation auf dem Fußballplatz, auf dem bis in die 60er Jahre das idealisierte Kollektiv als Volksgemeinschaft in kurzen Hosen weiterwerkelt. Als Wald- und Wiesenverein gestartet, fällt der Bayern-Aufstieg nicht zufällig mit der gesellschaftlichen Aufbruchs-Euphorie der späten Sechziger zusammen und hat in der Tat mit dem linken Zeitgeist zu tun.
Linker FC Bayern? Jawoll, jedenfalls wenn man links, wie es ja populär geworden ist, als Entdeckung einer radikalen Individualität deutet: Die „goldene Generation“ des FC Bayern, die Müllers und Maiers, vor allem aber Beckenbauer und die Abiturienten Hoeneß und Breitner sind vor allem Unternehmer in eigener Sache. Großmäulig, geschäftstüchtig, selbstbewusst bis zur Arroganz. Gepaart mit den Ideen des Beckenbauer-Managers Robert Schwan, der eine bis dahin unbekannte Vermarktungsmaschinerie in Gang setzt, und der Aufsteigermentalität des volkstümlichen Präsidenten Wilhelm Neudecker, erreicht der F.C. Bayern das, was man „eine marktbeherrschende Stellung“ nennen würde: Europapokal beziehungsweise Championsleague-Sieger 1974–76 und 2001, 19 deutsche Meisterschaften.
Hüetlin erzählt diese Geschichte episodenhaft anhand von Schicksalsspielen, die die Bayern gewinnen, oft durch unglaubliches Glück. Sosehr der FC Bayern den Fußball revolutionierte, indem er ihn professionalisierte und damit, in den Augen der Nostalgiker, zu einem kalten Geschäft werden ließ – heute erscheint der Club eher als Symbol der untergehenden Deutschland-AG: ein patriarchal geführter, gegenüber von Neureichen gekaufter (Chelsea) oder niedergewirtschafteter Vereine (Dortmund) menschlich geführter Verein, dessen Manager schon mal dem depressiven Deisler eine Auszeit gönnt oder Mehmet Scholl während dessen Ehekrise bei sich zu Hause aufnimmt. Der kalte FC Bayern, wie er nie war – das sind heute die anderen. Jost Kaiser
Thomas Hüetlin: Gute Freunde. Die wahre Geschichte des FC Bayern München. Blessing, München. 19,90 €.
Jost Kaiser
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