Potsdam-Mittelmark: Geschichte ans Licht geholt
Wiederentdeckung einer Geltower Fotografin: Mit einem Ausstellungsquintett wird das Werk der Marie Goslich gewürdigt
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Schwielowsee - Über 400 Fotoplatten verstaubten Jahrzehnte lang im Keller der Familie Hermann in Baumgartenbrück. Jetzt sind sie gesichert, restauriert, gescannt, digitalisiert und auf Fotopapier neu belichtet. Es war eine Wiedergeburt, denn lange Jahre gab es in der Heimatstube Geltow nur ein kleines Fotoalbum der Geltower Fotografin Marie Goslich (1859-1936), ein paar Briefe und Notizen. Als die pensionierte Physiologie-Professorin Krystina Kaufmann aus Caputh die Fotos vor einem Jahr erstmals sah und von den über die Zeiten geretteten Fotoplatten hörte, wollte sie mehr daraus machen – und wurde von vielen Seiten enthusiastisch unterstützt.
Die Person Marie Goslich war schon keine Unbekannte mehr: Die Schriftstellerin Tessy Bortfeldt hatte sie vor drei Jahren zum Gegenstand einer „preußischen Biografie“ gemacht („Frühes Licht und späte Schatten“, ISBN: 3931329429). Manche fiktive Leerstelle wurde nun durch Kaufmann und ihre Mannschaft vom Caputher Heimatverein ausgeleuchtet, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel aus Archiven ausgegraben, vor allem aber die 413 Glasnegative mit professioneller Unterstützung rekonstruiert und die Fotos entwickelt. Es entstand die Idee für eine Ausstellung an fünf Standorten, die am 9. August eröffnet werden kann.
Marie Goslich lebte in Berlin, Potsdam und Geltow, war Fotografin, Zeitschriftenredakteurin, Schriftstellerin, Pädagogin. Sie arbeitet für Publikationen wie die „Preußischen Jahrbücher“, „Die Zeit“, die „Körperkultur“ oder den „Boten für die christliche Frauenwelt“. Die Tochter eines Berliner Apellationsgerichtsrates interessiert sich in ihren Fotos und Texten für Körperkultur, Sport, Zeitgeist und Moden und schwärmt für das gesunde Landleben – oft mit direktem Bezug zum Geltower Umfeld. „Die einzige reine Freude ist die Freude an der Natur“, lautet eins ihrer typischen Zitate.
Immer wieder thematisiert sie auch die Schattenseiten des Daseins – prangert in ihren Publikationen die hygienischen Zustände in den Berliner und Potsdamer Mietskasernen oder das Elend schlecht bezahlter Näherinnen an. „Ohne das Elend der Heimarbeiterinnen würden viele ,elegante Damen“ gar nicht elegant sein können.“ Die Wurzel vieler Übel sieht sie im Immobilenhandel, wirbt dafür, dass Gewinne aus dem Grundstücksverkauf nach einem Hohenzollern-Modell der Allgemeinheit zugeführt werden. „Weil die Mietskaserne aber unser Volk von seinem Heimatboden trenne, es auch körperlich und moralisch aufs Schwerste schädige, müssten alle Heimatfreunde sich um die Fahne der Bodenreform scharen“, zitiert sie ihren Mann, den Schrifsteller und Bodenreformer Karl Kuhls, mit dem sie sieben Jahre lang verheiratet war.
Auf Dutzenden ihrer Fotografien finden sich Wandervolk, Zirkusleute und Hausierer, die an ihrem abgelegenen Geltower Häuschen am Grashorn vorbeimarschiert oder ihr im Ort begegnet sind. Für etwas Kleingeld posierten sie bei Sonnenschein, Regen und dichtem Nebel vor ihren wackligen Karren, während Goslich unter dem Tuch ihrer Plattenkamera verschwand. Es sind vielleicht die beeindruckendsten Bilder aus ihrer Sammlung.
Fünf Themen, fünf Überschriften, fünf Ausstellungsorte – so hat sich Ausstellungskuratorin Krystina Kaufmann entschieden. Goslichs Fotografien passen in kein Korsett, ihr dokumentarisches Werk trägt keine Überschrift. Und doch zeichnen sie ein stilles Bild von einem Preußen, in dem es anderes gab als Stechschritt und Großmannssucht. Als weiblich gefärbtes und gewissenhaftes Sittengemälde der Mark dürfte die fotografische Sammlung von Marie Goslich Seltenheitswert besitzen. Man darf also gespannt sein auf das Ausstellungsquintett.
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