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Potsdam-Mittelmark: Geschichten von Glück und Leid

Fotograf Thomas Billhardt zeigt beeindruckende Bilder in seiner einstigen Heimatgemeinde

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Kleinmachnow - Zwei Jungen transportieren Wasser in rostigen Kanistern, die sie auf ihren Köpfen balancieren. Doch ein Teil des kostbaren Nass fließt in dünnen Rinnsalen über ihren Körper, denn in den Kanistern sind Löcher. „Mosambique 1982“ steht unter dem Foto. „Manila 2005“ unter drei Bildern daneben, die den Alltag einer Entbindungsklinik zeigen: Jeweils drei Mütter teilen sich mit ihren Neugeborenen zwei zusammengeschobene Betten in einem großen Schlafsaal. Der Fotograf Thomas Billhardt zeigt ungeschminkte Realität aus den Krisenregionen dieser Welt und lässt sich ein auf die Geschichten von Glück und Leid, die sich vor seinem Objektiv abspielen.

„Im Widerspruch zur Zeit", heißt der Titel seiner jüngsten Ausstellung, die seit Freitag im Foyer des Kleinmachnower Rathauses 100 Bilder zeigt, die jenseits touristischer Pfade entstanden. Wie zutreffend sein Ausstellungstitel ist, offenbarte bereits eine Reaktion vor der offiziellen Eröffnung. Da suchte eine erregte Mutter nach „Jemandem, der im Rathaus etwas zu sagen hat, weil man doch diese schrecklichen Bilder direkt vor dem Eingang der Bibliothek nicht hängen lassen kann. Denn da gehen auch viele Kinder vorbei“. Billhardt hat das sehr getroffen, nicht nur weil er selber 25 Jahre in Kleinmachnow wohnte und dieser Ort nun nach Berlin, Rostock, Wittenberg, Dresden und Leipzig die sechste Station ist, an dem die Arbeiten gezeigt werden. Sondern vor allem, weil ihm Kinder am Herzen liegen. So ging bereits seine 1988 im New Yorker Hauptquartier von UNICEF gezeigte Ausstellung „Kinder haben Rechte“ um die ganze Welt und auch für die aktuelle Exposition hat UNICEF Deutschland die Schirmherrschaft übernommen.

„Ich bin kein Fotograf, der von sich sagt, ich bin neutral. Das wäre viel zu leicht“, sagt der heute 70-Jährige. „Die Unruhe ist in meinem Leben drin“. Es klingt wie eine Entschuldigung, weil er sich eigentlich zur Ruhe setzen könnte in seiner neuen Wahlheimat, der Toscana. Immerhin gibt es 64 Bildbände mit Fotos von Billhardt und große Magazine wie Time Life, Stern, Spiegel, Paris Much und Literaturnaja Gazeta veröffentlichten seine Bilder. Aber er kann sich noch immer aufregen, will der Welt noch immer den Spiegel vors Gesicht halten. So reiste er 13 Mal nach Vietnam, um die Seite des Krieges zu zeigen, unter der vor allem die Zivilbevölkerung litt. Kinder, die beim Aufheulen von Sirenen weinen, eine Frau mit Kind vor der Haustür, an der Wand lehnt ein Gewehr. Der Fotograf war auch im Libanon, erlebte die Stunde Null in Kambodscha und sah die Dürre in Mocambique. Im auseinanderbrechendem Jugoslawien fotografierte er wie Menschen im Schussfeld von Scharfschützen leben - die Fotos wurden nicht veröffentlicht, weil zur Aufmachung eine Leiche fehlte.

Aber auch Kurioses hat Billhardts Kamera aus dem Alltag von Politikern festgehalten: Honnecker und Breshnew in fortgeschrittener Festrauschstimmung bei einem Staatsbankett. Kurz darauf wurde der Fotograf abgedrängt, denn so nah ließ man auch offizielle Berichterstatter nicht gern an sich heran. Entlarvende Bilder hat der Beobachter mit der Kamera auch bei einem GST (Gesellschaft für Sport- und Technik)-Report 1985 in Halle gemacht: Kinder in Minipanzern. „Schrecklich war das, aber die Leute fanden das gut“, erzählt er und auch, dass ihn ein Amerikaner anrief, der seinem Sohn einen dieser Panzer kaufen wollte.

Die Ausstellung ist noch bis zum 4. Februar im Rathaus zu sehen.

Kirsten Graulich

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