KulTOUR: Geschrei und Getrappel Lesungs-Performance in Stadtbibliothek Werder
KulTOUR Werder - Angesagt war eine „Lesungs-Performance“, eine Lesung mit „vollem Materialeinsatz“, mit Klangkulisse, Wikingerschwert und -kleidung. Das Versprechen wurde eingehalten, leider blieb das Buch dabei auf der Strecke.
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KulTOUR Werder - Angesagt war eine „Lesungs-Performance“, eine Lesung mit „vollem Materialeinsatz“, mit Klangkulisse, Wikingerschwert und -kleidung. Das Versprechen wurde eingehalten, leider blieb das Buch dabei auf der Strecke. Die Stadtbibliothek Werder veranstaltete das Ereignis mit dem Berliner Jugendbuchautor Ruben Philipp Wickenhäuser, eingeladen waren Schüler der fünften und sechsten Klassen der Franz-Dümichen- und der Karl-Hagemeister-Grundschule in Werder. Thema des vorgestellten Buches „Die Drachen kommen“ waren die Wikinger und deren Alltag vor 1000 Jahren; der junge Autor (Jahrgang 1973) ist als Historiker mit der Materie und der Recherche vertraut. Im Zentrum des Romans steht der Junge Eric, den ein Magier damit beauftragt, ihm ein bestimmtes Buch aus England zu bringen. Dafür zieht Eric auf Raubzug nach England, ins Land der Feinde. In anderthalb Stunden absolvierte Wickenhäuser einen Schnelldurchgang durch die Romangeschichte, verknüpfte die Leseteile mit Dias über die damalige Schifffahrt und die Wikingerstätten und diskutierte mit den Kindern über Wikingerrealität und -klischee. Zum Schluss wurde ein Kind stilecht als Wikinger mit Schwert verkleidet. Das Abwechseln von Lesung und Information war an sich eine gute Idee, die Aufmerksamkeit der jungen Zuhörer stieg zu jedem Diskussionsteil wieder an. Als wenig sinnvoll dagegen erwies sich die Geräuschkulisse – Möwengeschrei, Sturm, Pferdegetrappel – die die Stimmung untermalen und verstärken sollte, stattdessen aber eher ablenkte. Hinzu kam die gestelzte Vortragsweise des Autors, der seinen Text nicht las, sondern im Stil von „im Radio vorgelesen“ mit alltagsuntauglicher Satzmelodie und künstlichen Sprechpausen rezitierte, was dem Thema – immerhin ist das Buch ein Abenteuerroman – nicht entsprach. Dehnte Wickenhäuser bei den gelesenen Teilen Wörter und Pausen unnötig aus, so holte er die vergeudete Zeit in der Diskussion wieder ein: er redete viel zu schnell. Allmählich verfestigte sich der Eindruck, hier stilisiere sich ein Autor im Wesentlichen selbst. Die „Performance“, wie Wickenhäuser sie selbst nennt, überdeckte das Buch – es war kaum möglich, durch diese Lesung ein Gefühl für den Roman und damit Leselust zu entwickeln. Es ist allerdings vorstellbar, dass das Buch ganz spannend sein könnte und vielleicht sogar gut geschrieben – wenn auf den 500 Seiten sich nicht allzu viele Sätze dieser Art tummeln: „Schreie warfen Grauen auf die Hügel.“ Denn auch Kinder haben ein Recht auf stimmige Bilder in der Literatur. Ruben Philipp Wickenhäuser: Die Drachen kommen. Esslinger Verlag, 2000. 13,70 Euro.
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