Potsdam-Mittelmark: Gewerbehof wird Gefängnisanstalt
Areal am Güterfelder Priesterweg als Kulisse für Pro-7-Filmproduktion „Das Camp“
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Areal am Güterfelder Priesterweg als Kulisse für Pro-7-Filmproduktion „Das Camp“ Von Thomas Lähns Stahnsdorf. Eine Handvoll junger Männer: sauber sortiert stehen sie in 5er-Reihen auf dem Gefängnishof. Die Augen haben sie starr geradeaus gerichtet, die Blicke sind leer, die Gesichter geballt. Der starke Oktoberregen prasselt auf die kahlgeschorenen Köpfe, tropft weiter auf die grau-orange Anstaltskleidung. „Durchzählen!", schnauzt der Aufseher. „Eins, zwei, drei, vier...", brüllen die Insassen nacheinander aus vollem Halse. Die Bäume hinter dem Maschenzaun biegen sich im Herbstwind. Mitten im Wald, unweit des kleinen Dorfes Güterfelde, werden die Männer geschliffen, gedrillt - und genötigt. Laut verliest der Mann mit Schlagstock die Regeln: „Ich habe allen Befehlen Folge zu leisten. Ich rede nur, wenn ich gefragt werde. Ich kenne die Regeln und werde sie befolgen." Er lässt sie wiederholen. „Aus“, ruft jemand von hinten. Ein Lkw ist über das Set, den Gewerbehof im Priesterweg, gefahren. Die Szene muss noch einmal gedreht werden. Matthias Koeberlin, Hauptdarsteller der Pro7-Produktion mit dem Arbeitstitel „Das Camp", schlüpft schnell in seinen warmen Parka. Die kurze Pause lohnt vielleicht für eine Zigarette. Mit fester Mine steht er am Rande des Drehortes und beobachtet die rotierenden Kabelträger und Kameraleute. Koeberlin, bekannt aus mehreren Tatort-Folgen und dem TV-Film „Das Jesus-Video", spielt dieses Mal den jungen Alex, der nach einem Streit mit seinem Vater dessen Auto in eine Bank fährt. Diebstahl, Sachbeschädigung und versuchte Körperverletzung werden ihm zur Last gelegt. Das Urteil: Vier Jahre Haft. Doch er bekommt die Möglichkeit, sich in einem Resozialisierungsprojekt zu bewähren. Der Protagonist muss 120 Tage Erniedrigung durchhalten, um schnell zu Mutter und Schwester zurückzukehren und sie vor dem boshaften Vater beschützen zu können. Koeberlin, Regisseur und Drehbuchautor Andreas Linke, Produzent Sascha Schwingel und einige Andere aus dem Filmstab sind Absolventen der Filmakademie Baden-Württemberg, kennen sich noch aus Studienzeiten. Entsprechend schnell habe man sich zu dem gemeinsamen Projekt entschlossen, berichtet der Produzent. Stars wie Tobias Oertel und Natalia Wörner konnte er ebenfalls mit ins Boot holen. Die Idee zum Film hatte Schwingel bei Recherchen für einen früheren Film in einem US-Gefängnis in Las Vegas. „In der Nähe befand sich ein Boot-Camp. Das sind Lager für Erststraftäter, Leute, die noch eine Chance auf Resozialisierung haben." In Boot-Camps sind die Häftlinge starkem Druck ausgesetzt, müssen darüber hinaus niedere Arbeiten erledigen, wie den Mittelstreifen einer Autobahn putzen. Die Philosophie: Einen Menschen zerstören, um ihn von Neuem wieder auf zu bauen. Produzent Schwingel betrachtet diese Methode kritisch: „Es ist kein Allheilmittel, keine Garantie für Besserung". Die Diskussion darüber, was man mit kriminellen Jugendlichen machen soll, sei aber interessant. Und dazu solle der Film anregen. Die Schauspieler haben wieder Stellung bezogen, stehen in Reih und Glied. Paul Fassnacht, eben noch lächelnd mit dem Regisseur plaudernd, wird wieder zum grimmigen Tyrannen. Der Regen klatscht der rüden Zurechtstutzung Beifall. Für die Hauptfigur Alex ist es der erste Tag im Resozialisierungsprojekt, für Hauptdarsteller Koerberlin ist es Schauspielalltag. Schlägt diese Atmosphäre auf das Gemüt? „Das ist schon okay, es sind alles liebe Kollegen", meint er. Nach Feierabend trinke man wieder ein Bier zusammen. Deprimierend wirkt die Szenerie zwischen den Wellblechhütten im Wald allemal, beinahe wie der natürliche Zustand des Gewerbehofs, um dessen rechtmäßigen Zustand lange gestritten wurde. Durch die Unsicherheit des Gewerbestandortes ist das Gelände inzwischen nahezu verwaist. Jetzt sind für die Filmkulisse am hinteren Zaun Schäferhunde angekettet, die ständig kläffen. Dazwischen steht eine Hindernisbahn, originalgetreu aufgebaut und mit allerlei Schikanen gespickt: Eskaladierwand, Wasserlache, Kriechtunnel. Am Eingang vor dem Wachhäuschen prangt ein Schild, das so manchen Waldspaziergänger verdutzen wird: „JVA Berlin - Resozialisierungsprojekt Güterfelde." Dreh- und Handlungsort sind eins, die Mittelmark-Gemeinde findet auch im Film Erwähnung. „Die Geschichte ist hier sehr gut erzählbar", sagt Produzent Schwingel. Der junge Filmemacher habe lange nach einer geeigneten Drehort gesucht und schließlich in Güterfelde gefunden. „Wir sind total glücklich hier", jubelt er. Einerseits liege das Gewerbegebiet – zum Ärger des Betreibers – brach und abgeschieden. Andererseits ist es von Berlin aus schnell erreicht. Die gesamte Region biete gute Filmszenerien, Schwingel wolle auf jeden Fall wieder im südlichen Umland Berlins drehen. Bis Ende Oktober sollen die Arbeiten in Güterfelde dauern, der Film voraussichtlich im Februar 2004 ausgestrahlt werden. Ein weiterer Handlungsort ist das nahegelegene Industriegebiet an der Großbeerenstraße. „Die Häftlinge werden die dortigen Häuserruinen abtragen", eine Allegorie zum Schicksal der jugendlichen Straftäter: Zerstören, um etwas Neues zu bauen - „Oberaufseher" Fassnacht bellt unterdessen wieder lauthals seine Gefangenen an.
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