Potsdam-Mittelmark: „Grabstätte nicht mehr vorhanden“
„Otto Nagel in Rehbrücke“ oder die Frage, ob die Havelländische Künstlerkolonie bis hinter die Nuthe reicht
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Nuthetal - „Grabstätte nicht mehr vorhanden“ - notierte der heutige Nuthetaler Siegfried Jahn bei seinen Recherchen über Fritz Janowski, Paul Matthes, Richard Muth oder Richard Thurm. Im Unterschied zu dem ziemlich bekannten Maler und Kommunisten Otto Nagel, auf dem Ehrenfriedhof“ zu Berlin-Friedrichsfelde beigesetzt, gibt es die Gräber seiner Kollegen in Bergholz-Rehbrücke nicht mehr. Die ehemalige Landhauskolonie an der „Wetzlarer Bahn“ als Künstlerhort dem „Malerdorf Ferch“ vergleichbar, obwohl man fast nichts davon sieht? So jedenfalls fragt es der Berliner Galerist und Schatzgräber Velio Bergemann in seiner neuen Broschüre „Otto Nagel in Rehbrücke“. Seit Jahren arbeitet er visionär daran, die versprengten Malertraditionen zwischen Töplitz, Ferch und Michendorf tief genug in die „Potsdamer Kulturlandschaft“ zu integrieren, bis die Kunstbeflissenen der Welt das Land Brandenburg scharenweise und pilgernd besuchen.
Für Geltow, Ferch und Caputh hat er die Pionierarbeit inzwischen geleistet. Nun stellt sich heraus, dass bildende Künstler von Rang und Namen auch jenseits des Höhenrückens, welcher das Schwielow-Areal vom Tal der Nuthe trennt, gelebt und gearbeitet haben, auch wenn ihre Grabstätten „nicht mehr vorhanden“ sind. Insofern verkürzt der „Titel „Otto Nagel in Rehbrücke“ die Sache etwas, denn was Herbert Anger, Theodor und Wilhelm von Plessen, Magda Langenstraß-Uhlig, Karl Holtz oder Georg Bollfras und die zwölf anderen hier schufen, kann man ab März in der Fercher Seniorenresidenz „ProCurand“ mit eignen Augen sehen.
Velio Bergemann ist nicht nur Herausgeber, sondern auch Co-Autor der reich-illustrierten Broschüre. Sein Text untersucht, ob diese Maler den „sozialkritischen“ Impetus aus dem Berlin der 20er Jahre mit aufs Land nahmen. „Kritischer Realismus“ ist ja eher eine politische als eine ästhetische Haltung, wie sie besonders linksorientierte Künstler um Otto Nagel und Käthe Kollwitz einnahmen. Hier erfährt man auch das wendige Schicksal von Magnus Zellers expressivem Bild „Volksredner“, um 1920 entstanden. Mit dem Maler Frank Weber geht Bergemann dann der Frage nach, ob solche Sozialkritik auch in der DDR möglich war. Der Werderaner antwortete sehr geschickt.
Siegfried Jahn erzählt im Kapitel „Otto Nagel und Genossen“ nicht nur von dessen kulturpolitischem Wirken zwischen 1945 bis 1949 – Gründung des Potsdamer Kulturbunds und der „Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion“ (später DSF). Er porträtierte aus seiner unmittelbaren Umgebung „den neuen Menschen“, wozu auch seine Tochter Sibylle als Jungpionier gehörte. Wegen urheberrechtlicher Gründe durfte davon nichts abgedruckt werden, aber Berge-mann widmete diese Broschüre ausgleichshalber Walli Nagel. Im letzten Teil, recht fremd, schildert er, wie seine eigene Ehefrau nach 1990 gegen deutsche Justiz um 28 DM Erziehungsgeld für ihre in Österreich geborene Tochter kämpfte, eine bizarre Geschichte.
Ein Anfang ist also gemacht. Rehbrücke braucht sich vor dem „Malerdorf Ferch“ nicht zu verstecken. Ob sich allerdings der raumgreifende Begriff „Havelländische Künstlerkolonie“ für den Landstrich von Töplitz und Ferch bis nach Michendorf halten lässt, ist unklar, Diaspora-Charakter und fehlende Organisation sprächen dagegen. Aber Velio Bergemann wäre kein Schatzgräber, wenn es ihm nicht auch noch gelänge, Größe und Grenzen dieses Konstruktes aufzuspüren. Virtuelle Gräber gehörten dann freilich dazu. Gerold Paul
Gerold Paul
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