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Draufgehalten. Trotz Filmverbot werden bei der standesamtlichen Trauung in Werder die Handys gezückt. Zumindest die Schlüsselszenen werden gefilmt.

© Eva Schmid

Potsdam-Mittelmark: Große Lücke im Hochzeitsvideo

Werderaner Standesamt verbietet Filmen in der Petzower Kirche – weil Versprecher der Beamten im Netz landen könnten

Von Eva Schmid

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Werder (Havel) – Es soll eine Traumhochzeit werden mit blauem Himmel, stahlendem Sonnenschein, einem rauschenden Fest, weißen Tauben und einer unvergesslichen Zeremonie. Minutiös hat ein junges Werderaner Brautpaar seine Hochzeit in der idyllisch gelegenen Schinkelkirche in Petzow geplant. Doch als sie sich einen der schönsten Orte für Trauungen im Potsdamer Umland gesichert hatten, kam der Dämpfer.

„Bekannte hatten uns gesagt, dass bei der Zeremonie nicht gefilmt werden darf“, sagt Bräutigam René Sellenthin. Er schüttelt den Kopf, er kann es nicht verstehen. Man habe sich darum bemüht, dass alles perfekt laufe, und dann so etwas: keine filmische Erinnerung an den wichtigsten Moment des Hochzeitstages. Ja-Wort und Ringe-Tausch – im Hochzeitsvideo sollte eine Lücke bleiben.

„Wenn man selbst da vorne sitzt, dann läuft die ganze Zeremonie an einem vorbei wie in einem Film“, sagt die Braut Jeanette Sellenthin. Sie hätte sich deshalb gewünscht, im Nachhinein in Ruhe nochmal den Ablauf sehen zu können. Welche Verwandten haben geweint? Wie glücklich sah man aus und wie leidenschaftlich war der Kuss?

Verwundert und etwas wütend sei man gewesen über das Filmverbot, sagte das junge Paar aus Werder. Getraut werden sollten die beiden vom Werderaner Standesamt, das auch in der entweihten Petzower Kirche Trauungen vornimmt. Als Trauzeuge Michael Bergemann, der als Kameramann schon oft auf Hochzeiten von Freunden filmte, von dem Verbot erfuhr, traute seinen Ohren nicht. Er rief im Werderaner Rathaus an und fragte nach: „Man konnte mir keinen richtigen Grund für das Verbot nennen – es sind wohl persönliche Befindlichkeiten.“ Die Standesbeamtin habe sich vehement dagegen gewehrt, vor laufenden Kameras ihre Rede zu halten, so Bergemann.

Die Frau, die seit 25 Jahren Ehen schließt, verteidigt ihren Standpunkt: „Es ist eine Unsitte geworden, alle Leute zücken heute ihre Handys“, sagt Elvira Schröder. Früher habe es kein Meer aus Handys im Publikum gegeben. „Ich empfinde das als störend, wenn um mich herum überall Kameras sind.“ Ihre Rede richte sie an das Brautpaar, an die geladenen Gäste, an einen kleinen internen Kreis – und nicht an die breite Öffentlichkeit. Seitdem Smartphones mit Kamerafunktion auf dem Vormarsch sind und Kurzvideos mit wenigen Klicks auf das Videoportal Youtube hochgeladen werden können, hat sich bei den Standesbeamten einiges geändert. Und das nicht nur in Werder.

Auch in Potsdam sehen Standesbeamte Kameras ungern: „Da schwebt die Angst mit, dass bei einem Versprecher oder Patzer sich jemand einen Spaß daraus machen könnte“, erklärt Potsdams Stadtsprecher Jan Brunzlow. Die vermasselte Passage könnte aus dem Hochzeitsvideo mutwillig herausgeschnitten werden, im Internet werde dann darüber gelacht.

Bei den standesamtlichen Trauungen in der Landeshauptstadt sei Filmen generell nicht verboten. „Die Videos sollen aber nur für den privaten Gebrauch genutzt und nicht im Internet veröffentlicht werden“, so Brunzlow. Darauf weise man bereits im Vorgespräch hin.

Unzählige Videos von Trauungen sind auf Youtube zu finden, manche der Amateur-Videos haben sogar über 30 000 Klicks. Minutenlang hört man sperrige Reden über Liebe, Verbundenheit und die Pflichten der Ehe vom Standesbeamten. Sucht man auf dem Videoportal hingegen gezielt nach Missgeschicken bei Trauungen, bekommt man nur wenige Treffer. Die meisten davon sind von Fernsehsendungen wie „Verstehen Sie Spaß?“ eingestellt. Den vermeintlich schadenfrohen Vetter, der nur darauf wartet, dass den Standesbeamten ein Missgeschick passiert, um dann auf Youtube Klicks zu generieren, gibt es offenbar selten.

Dafür ist der Ärger mit dem Filmverbot bei Trauungen in Werder umso größer: „Letztes Jahr gab es hier richtig Stress deshalb“, berichtet der Hausmeister der Kirche, Dieter Schulz. Ob gefilmt werden darf oder nicht, das hänge vom jeweiligen Standesbeamten ab, so Schulz. „Man sagt, dass ein Video der besagten Standesbeamtin aus Werder schon mal im Internet kursiert sei.“ Auch habe sie den Landkreis dafür gewinnen wollen, die Persönlichkeitsrechte der Standesbeamten besser zu schützen, so der Hausmeister. Die Werderaner Beamtin winkt ab: Von ihr habe es ein solches Video noch nicht gegeben, aber Kollegen aus anderen Städten sei das bereits passiert.

Die Lücke im Hochzeitsvideo war am Ende doch nicht so groß. „Immerhin habe ich sie überredet, die wichtigsten Szenen aufnehmen zu dürfen“, so Trauzeuge Bergemann. Und als die gold glänzenden Ringe ausgepackt wurden, da gab es kein Halten mehr: Da wurden eifrig die Handykameras gezückt, heulende Eltern und grinsende Freunde gefilmt – nicht nur das Brautpaar wollte die Erinnerung.

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