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Potsdam-Mittelmark: Große Oper in kleinem Format

Giuseppe Verdis „Nabucco“ lockte am Samstagabend 1800 Zuschauer auf die Werderaner Insel

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Werder (Havel) - Dass Oper nicht nur in prunkvollen Häusern funktioniert, hat die polnische Staatsoper Stettin (Szczecin) längst bewiesen: Das Ensemble des Intendanten Warcislaw Kunc tourt ständig nicht nur durch ganz Polen, sondern auch durch die deutschsprachigen Länder. Dazu wird am jeweiligen Spielort innerhalb weniger Stunden eine Bühne aus Stahlgestängen und Planen aufgebaut und nach der Vorstellung ebenso schnell wieder demontiert. Ein Zelt für das Orchester, ein weiteres im Hintergrund für die Licht- und Tontechnik, dazu 1800 Klappstühle – fertig ist die Wander-Oper. Die Sänger haben aber kaum Sichtkontakt mit dem Dirigenten. Tontechnisch scheint die Ausrüstung nicht auf dem modernsten Stand zu sein, denn hin und wieder wird es kritisch,wenn aus den Boxen ein unangenehmes Zischen und Schnarren fährt. Doch insgesamt wird gekonnt zusammengemischt, was mehrere Mikrofone auf der Bühne und im Orchesterzelt aufnehmen.

Die Staatsoper Stettin war am Samstag auf dem Marktplatz der Werderaner Inselstadt zu Gast. Sie kam mit einer der wohl berühmtesten Opern der Musikliteratur an die Havel, mit Giuseppe Verdis „Nabucco“. Die meisten der Zuschauer kennen das Musikdrama wohl nur vom Titel her und vor allem den Gefangenenchor „Va, pensiero, sull''ali dorate“ („Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen"). Und auf ihn wartete man dann auch hier in Werder sehnsüchtig – das Publikum auf dem Markt sowie diejenigen, die vom Fenster aus der angrenzenden Häuser das Spektakel miterleben konnten. Nach dem Verklingen des Gefangenenchors schlossen etliche wieder die Fenster.

Doch die Gäste auf dem Platz verfolgten an diesem milden Sommerabend sehr aufmerksam und andächtig die Aufführung, wohl aber eher ihre musikalische Seite, denn die Sichtverhältnisse waren nicht überall optimal.Versäumt hat man jedoch von dem szenischen Geschehen (Regie: Olga Ivanowa) nicht viel. Die Parabel von Religionskonflikten, Machtmissbrauch und bemerkenswerter Umkehrung, die zur Zeit des Königs Nebukadnezars II., 587 vor Christus, spielt, besitzt einen universellen Anspruch. Die Inszenierung blieb aber weit hinter den Erwartungen an gutes Theater zurück. Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück, Arme hoch, vor und runter - das war ungefähr das Standardrepertoire der Gesten. Wahre Emotionen blieben auf der Strecke oder wirkten konstruiert und im schlechteren Sinne routiniert.

In puncto musikalischer Leistungen vernahm man Solideres (Dirigent: Warcislaw Kunc). 100 Mitwirkende versprach die Werbung sollten in Werder dabei sein. Aber man konnte nur 60 zählen. Musiker und Chor traten in Kammermusikbesetzung auf. Tonschön wurde zwar gesungen und musiziert, doch die mächtigen groß angelegten Chorszenen verlangen Kraft und Aplomb.Dies war aus dem Orchesterzelt und von dem schmächtigen Chor nicht zu hören. Dafür aber von den Solisten.

An erster Stelle ist Adam Wozniak zu nennen,der die die Titelpartie mit kultiviertem und ausdrucksstarkem Bariton sang. Auch Jacek Greszta als Prophet Zacharias erfreute mit wunderbarem Bassfundament und schönem Legato. Der Raffinesse der schwierigen Partie der machtbesessenen Abigaille wurde die Sopranistin Barbara Zarnowiecka erst nach der Pause gerecht. Nun gerieten die furiosen Attacken und die wilden Koloraturen nicht mehr so unkontrolliert und eindimensional wie zuvor.

Bei allen Ecken und Kanten: Die Werderaner und ihre Gäste waren am Samstagabend glücklich, dass auf ihrer Insel erstmalig eine Opernaufführung zu erleben war. Sie bedankten sich sich bei den Künstlern von der Stettiner Oper mit lautstarkem Beifall. Walter Kassin, Marketingchef der Stadt, versprach, dass dieses Gastspiel nicht das erste und letzte gewesen sein soll. „Die Werderaner haben mit ihrem Besuch bewiesen, dass sie keineKulturbanausen sind“, sagte er.

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