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Von Henry Klix: Großhandel will Obstbau retten
Partnerschaft ermöglicht Neuanpflanzung im Havelland / Humboldt-Uni plant Versuchsanlage
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Werder (Havel) - Für die Werderaner Obstbauregion gibt es wieder leise Hoffnung: Die Frucht-Express GmbH aus Groß Kreutz mit der Havelfrucht GmbH planen für das kommende Jahr gemeinsam die Anlage neuer Apfelplantagen. Und die Berliner Humboldt-Universität denkt darüber nach, mit Partnern aus der Region eine Versuchsanlage für den havelländischen Obstbau ins Leben zu rufen.
Frucht-Express-Geschäftsführer Bernd Raeuber bestätigte gestern gegenüber den PNN, dass eine Partnerschaft zwischen Großhandel und Obstbau geplant sei. Derzeit würden zwischen Glindow und Groß Kreutz Flächen dafür angepachtet. Im ersten Schritt sei für das kommende Jahr geplant, auf 20 Hektar neue Äpfelbäume für die Vermarktung im Lebensmitteleinzelhandel zu pflanzen. Mit den ersten Erträgen sei in fünf Jahren zu rechnen. „Wenn wir hier nicht schnell Äpfel pflanzen, haben wir mit ,Werder Frucht’ bald nichts mehr zu vermarkten“, so Raeuber. Die „Werder Frucht Vermarktungsgesellschaft“ ist eine Tochter von Frucht-Express.
Mittelfristig würden angesichts der überalterten Schläge deutlich mehr als 20 Hektar benötigt, so Raeuber. Deshalb seien weitere Investitionen und Partnerschaften geplant. Denn Obst und Gemüse aus Werder an den Einzelhandel zu verkaufen, sei kein Problem, der Bedarf sei riesig. „Ich könnte deutlich mehr verkaufen als ich habe.“ Allerdings müssten die Obstbauern die geforderten Mengen und Sorten bereitstellen.
Die Havelfrucht GmbH ist seit Jahren als Zulieferer für den Großhandel tätig und bewirtschaftet inzwischen 150 Hektar Kirsch- und Apfelplantagen und 100 Hektar Getreideäcker. Die letzte Obstanpflanzung fand vor sechs Jahren statt, sagte Havelfrucht-Geschäftsführer Thomas Giese den PNN. „Ich müsste zur Reproduktion an sich jedes Jahr vier bis fünf Hektar Obstkulturen pflanzen. Mit der Partnerschaft „bin ich erstmal wieder auf dem Laufenden.“ Überalterte Schläge sollen dafür gerodet werden, um sie nach zweijähriger Ruhezeit wieder für den Obstanbau zur Verfügung zu haben.
Giese und Raeuber appellierten an die Stadt Werder, die Brauchwasserversorgung zu erhalten. Die Stadt will durch ein Gutachten prüfen lassen, ob die teure Sanierung der maroden Brauchwasseranlage wirtschaftlich ist oder nicht besser Brunnen gebohrt werden. Giese sieht Probleme für den Grundwasserspiegel, wenn jeder Bauer seinen eigenen Brunnen bekommt. Zudem sei das Brauchwasser aus dem Glindowsee für die Obstplantagen wegen seines Nährstoffgehalts und der Temperatur mit vielen Vorteilen verbunden. Die Obstbauern wünschten sich bei solchen Themen mehr Rückendeckung durch die Wissenschaft, sagte Raeuber. Die könnte es bald geben.
Denn die Humboldt-Universität plant in der Region den Bau einer fünf bis zehn Hektar großen Versuchsanlage für den Obstbau. Das war das Ergebnis eines Treffens von Wissenschaftlern der landwirtschaftlich-gärtnerischen Fakultät mit Vertretern des Obstbaus, zu dem der „Förderverein Mittlere Havel“ am Mittwochabend eingeladen hatte. Die Fakultät hatte vor drei Jahren mit Brandenburgs Agrarministerium eine Studie zur Situation des märkischen Obstbaus erstellt, Jochen Flenker war daran beteiligt. Demnach liegen die Erträge pro Hektar bis zur Hälfte unter dem deutschen Schnitt. Die Apfel- und Kirschanbauflächen in Brandenburg sind seit 2002 um 20 bis 25 Prozent zurückgegangen. Durch die erneuerbaren Energien habe sich die Flächensituation in jüngster Zeit weiter zugespitzt, so Flenker. Geht die Entwicklung weiter, könnte der Obstbau in Brandenburg in den nächsten Jahren verschwinden, fürchtet Flenker – und damit rund um Werder eine traditionsreiche Kulturlandschaft.
Bei der Verbesserung des Renommees und der Ertragssituation könnte die Uni hilfreich sein. Der Wunsch nach einer Versuchsanlage bestehe in seiner Fakultät seit Jahren, so Flenker gegenüber den PNN. „Allerdings war das auf herkömmlichen Förderwegen nicht zu finanzieren.“ Jetzt werde gemeinsam mit dem Land nach erfolgversprechenderen Wegen gesucht. Der havelländische Obstbau könnte von einer Versuchsanlage sehr profitieren, meint Flenker. Auf der Beispielanlage könnten Obstbauern sehen, was hier an Sorten, Pflanzenschutz oder Bewässerung möglich und sinnvoll ist und welche Investitionen nötig sind. „Es wäre ein Zeichen, dass in der Region wieder etwas zu dem Thema stattfindet.“ Auch eine Zusammenarbeit mit Frucht-Express soll geprüft werden.
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