Von Thomas Wendel: Gute Arbeit, mieser Lohn
Gesellentag in Caputh: Junge Handwerker haben in Brandenburg häufig keine Perspektive
Stand:
Schwielowsee / Potsdam - Befristungen, Sozialabbau, Leiharbeit, Lohndumping, schlechte Ausbildungsstandards prägen ihren Alltag. „Erschreckend“ ist nach Einschätzung des Deutschen Gewerkschaftsbunds die Arbeitssituation junger Handwerker im Land Brandenburg. Beim 15. Gesellentag der Handwerkskammer Potsdam am Samstag in Caputh sorgte ihre Lage für harte Worte. Das Veranstaltungmotto „Handwerk: Gute Arbeit, fairer Lohn“ wird in Brandenburg häufig nicht eingelöst.
Wolfgang Schroeder, Staatssekretär im brandenburgischen Arbeitsministerium, sprach von Ostdeutschland als „Labor mit dauerhaftem Wandel“. Kaum ein Beschäftigter arbeite heute noch im selben Job wie vor 20 Jahren. Die Tarifbindung sei gering, immer neue Formen von Sozialabbau würden erprobt. „Uns wird es nicht gelingen, mehr Arbeitskräfte ins Land zu ziehen, wenn nicht höhere Löhne gezahlt werden“, prognostizierte Schroeder angesichts der schwindenden Bevölkerungszahlen. Alterungs- und Abwanderungsprozesse würden diese Tendenz verschärfen. „Der Kern der Wirtschaft in Brandenburg ist das Handwerk“, stellte er heraus. Die „eigene Zukunftsvorsorge der Unternehmen“ müsse gestärkt werden.
Schroeder kritisierte die Bediener-Mentalität vieler Unternehmen. Nicht nur kleine Handwerksbetriebe mit unsicherer Basis würden staatliche Fördermittel nutzen. Auch Großunternehmen wie der Energieversorger Vattenfall ließen sich Zuschüsse für Lehrlinge bezahlen: „Das ist nicht in Ordnung!“ Er kündigte an, die Fördermittel für Ausbildungen würden deutlich reduziert.
Auch aus Sicht der Gewerkschaften muss die Nachwuchs-Ausbildung besser werden. DGB-Bundesvorstandsmitglied Wolfgang Rohde kritisierte die niedrigen Vergütungen der Lehrlinge. Einzelne Gewerke würden nicht einmal 300 Euro im ersten Lehrjahr zahlen, bei manchen sei die Vergütung schlechter als vor 20 Jahren. Das Handwerk habe Nachwuchssorgen, aber „an der Jugend geht der Aufschwung vorbei“. In der Industrie seien die Verdienst-Möglichkeiten besser, auch in Berlin und Süddeutschland würde für dieselbe Arbeit ein Drittel mehr bezahlt als im Land Brandenburg. „Geld spielt eine Rolle bei der Ausbildungs-Entscheidung“, stellte er mit Blick auf eine Allensbach-Umfrage von 2010 fest.
Hinzu kommt: Ein Drittel der unter 24-Jährigen habe „ausschließlich befristet gearbeitet“, so Rohde. Die beruflichen, sozialen und familiären Folgen seien gravierend, die Planungssicherheit fehle. Laut der Allensbach-Umfrage würden nur sieben Prozent im Betrieb übernommen. Insgesamt sei „die Hälfte der bis 24-Jährigen prekär beschäftigt, befristet, in Leiharbeit oder in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen“. 30 Prozent gaben an, sie kämen nur mit einem Nebenjob über die Runden.
„In einigen Bereichen ist die Ausbildungs-Vergütung heute schlechter als vor 25 Jahren“, bestätigte der Berliner Maler Karsten Berlin im Gespräch mit den PNN. Die Handwerks-Meister spielten bei der Lohngestaltung auf Zeit. „Sie merken, dass sie weniger Bewerber haben – aber wollen nichts ändern.“ Bei den Beschäftigten machte der Handwerker, der die Meisterprüfung anstrebt und im Bezirksverband der IG Bau Berlin mitwirkt, zunehmend mehr Leiharbeits-Verhältnisse aus. Das bedeute im Malerhandwerk etwa: 1100 Euro netto monatlich für den Leiharbeiter, 1600 Euro für den Festangestellten. „Da muss sich was ändern!“
Vor der Debatte um die Sozialstandards und Ausbildungsbedingungen hatte Kammer-Hauptgeschäftsführer Wolfgang König für die bundesweite Webekampagne für das Handwerk geworben. 80 Prozent der Betriebe in Brandenburg seien Handwerksbetriebe. 9600 Lehrlinge würden derzeit ausgebildet. Das Handwerk wolle sich als „Wirtschaftsmacht von nebenan“ mit „fairem Lohn und guter Arbeit“ präsentieren. Darüber hinaus ging er auf das Motto der Veranstaltung nicht ein.
Thomas Wendel
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: