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„Tot blasen“. Hornisten geben am Samstag das Startsignal zur Treibjagd.

© dapd

Potsdam-Mittelmark: Halali zum Jahresabschluss Die Jagdgenossenschaft Güterfelde lädt zwischen den Jahren zur traditionellen Treibjagd

Stahnsdorf - Es gibt viele Möglichkeiten, die Tage zwischen Weihnachten und Silvester zu verbringen. In Güterfelde wird zum Halali geblasen.

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Stahnsdorf - Es gibt viele Möglichkeiten, die Tage zwischen Weihnachten und Silvester zu verbringen. In Güterfelde wird zum Halali geblasen. Dann gehen nicht nur Jäger auf die Pirsch, sondern es sammeln sich Sekretärinnen, Physiotherapeuten und Geschäftsleute zur Jagd. Gesellschafts- oder Gästejagd nennt sich das Ereignis, bei dem sich die Teilnehmer zu einer Kolonne in orangenen Leuchtwesten formieren und lärmend durchs Unterholz stampfen, um wilde Tiere den wartenden Weidmännern vor die Flinte zu treiben.

Es ist gerade hell geworden, als vor der Jagdhütte der Güterfelder Jagdgemeinde die Treiberwehr und Schützen Aufstellung nehmen. „Keine riskanten Schüsse“, ermahnt Jagdleiter Karl-Heinz Schreiber. Geschossen werden dürfe nur gegen den Horizont, wer orange trägt, ist ein Treiber und keine Wildsau. Zum Abschuss freigeben sind Schwarzwild, Rehe, Füchse. „Und Waschbären“, sagt Schreiber. Von denen soll es immer mehr geben in märkischen Wäldern, allerdings wurde im Güterfelder Revier noch keiner gesehen.

Die Erwartungen der Treibjagd sind hoch. Niemand rechnet mit einem Elch, wie er vor 30 Jahren im Nachbarort geschossen wurde – und was kein Jägerlatein ist: Ein Foto, das Schreiber herumreicht, ist der Beweis. Vor allem ist es der hohe Bestand an Schwarzwild, der diesmal die Jagdgesellschaft auf einen erfolgreichen Tag hoffen lässt. Die Wildschweinplage wird quasi zum gesellschaftlichen Auftrag für Jäger: Aufgewühlte Gärten, Wildunfälle, Fresslawinen durch Mais- und Getreidefelder sowie erhebliche Schäden auf den großen Waldfriedhöfen in Stahnsdorf und Güterfelde verlangen Gegenwehr.

Dem Deutschen Jagdschutzverband zufolge gibt es derzeit in Deutschland genauso viel Schwarzwild wie Jäger: 350 000 auf jeder Seite. „Allein in unserem Revier haben wir in diesem Jahr schon 66 Abschüsse. 20 mehr als sonst“, sagt Schreiber. Doch das Warnsystem der Tiere im Wald scheint an diesem Vormittag gut zu funktionieren. Zwar haben die Rotten reichlich Spuren hinterlassen und ganze Schonungen durchpflügt. Aber zu sehen sind sie nicht. Zwei Wildschweine werden am Ende der Jagd zur Beute zählen. Auf der Strecke bleiben zudem drei Rehe und ein Fuchs.

Einen jungen Keiler jagen die Treiber aus einem Kiefernschlag Harry Hochschulz direkt zwischen Kimme und Korn. Ein glatter Durchschuss: Das Tier findet einen schnellen Tod. Minuten später steckt der pensionierte Werkzeugmacher bis zu den Unterarmen in dem aufgeschlitzten Bauch des Keilers und befördert dampfende Gedärme – Herz, Leber, Nieren – aus dem Innern. „Das holen sich später der Fuchs und die Kohlraben“, sagt der Jäger, als er mit der „roten Arbeit“ fertig ist und das Gescheide mit ein paar Zweigen abdeckt.

Mit einer Parforce- oder Hetzjagd, wie sie rund um Güterfelde in dem einst königlichen Jagdgebiet vor 300 Jahren üblich war und die dem Gelände seinen Namen „Parforceheide“ gab, hat das Treiben nichts mehr zu tun. Die Paforceheide hat heute vor allem ihre Funktion als Frischluftkammer für Berlin, zudem sind Hetzjagden in Deutschland seit langem verboten. Forderungen von Tierschutzorganisationen, das Jagen ganz zu verbieten, verhallen hier indes wie die Schüsse aus den Jagdflinten. „Gerade bei der steigenden Wildschweinpopulation und den damit verbundenen Schäden müssen wir den Waldbestand regulieren“, sagt Schreiber.

Nach vier Stunden Treiben und Schießen schallen drei Fanfaren durchs Rund; Wildschweine, Rehe und Fuchs werden mit einem eigenen Signal in die ewigen Jagdgründe geschickt. Der Schlussakkord der fünf Jagdhornbläser lädt zum „Schüsseltreiben“: Die Jagd hat hungrig gemacht. Es gibt Grünkohl und Knacker.

Peter Könnicke

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