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Potsdam-Mittelmark: Heimatforscher mit tänzerischer Gabe

Kleinmachnows Bürgermeister ermutigt Heimatverein zum zehnjährigen Bestehen, mehr Tabuthemen aufzugreifen

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Kleinmachnows Bürgermeister ermutigt Heimatverein zum zehnjährigen Bestehen, mehr Tabuthemen aufzugreifen Von Peter Könnicke Kleinmachnow. Sie sind eine Runde alter Herren, die in einer miefigen Stube hocken, rostiges Silberbesteck polieren und das Gewinde einer mechanischen Wäschepresse ölen. Das Bild der Heimatforscher bedient sich einer Menge wohlfeiler Klischees: Demnach sind es St.-Florians-Jünger, Erbsenzähler, Besserwisser. Heimatvereine haben ein angestaubtes Image. Allein letzteres klingt wie ein Fremdwort verbunden mit Heimatverein. Dass diese Vorurteile antiquiert sind, wusste Brandenburgs erste Nachwende-Kulturminister Hinrich Enderlein zu belegen, als er am Freitag die Rolle des Kleinmachnower Heimatvereins anlässlich dessen zehnjährigen Bestehens skizzierte. Eine „wichtige, moderne und unverzichtbare Institution“, nannte er den Jubilar. Bei der „hochaktuellen Aufgabe“, die in Kleinmachnow zu bewältigen ist, könnte der Heimatverein einen enormen Beitrag leisten: an der Integration. Zum einen hat sich der Verein im vergangenen Jahrzehnt selbst zu einer Adresse entwickelt, in dem sich Kleinmachnower – Alteingesessene wie Hinzugezogene – gefunden und kennen gelernt haben. 66 Mitglieder forschen aktiv in der Geschichte des Ortes. Zum anderen hat der Verein durch seine Aktivitäten in den vergangenen Jahren Aufmerksamkeit erzeugt und animiert, sich mit der – vor allem jüngeren und noch greifbaren – Vergangenheit auseinander zu setzen. Dass Kleinmachnow sein eigenes dunkles Kapitel aufgedeckt hat, das während des zweiten Weltkrieges mit einem KZ-Außen- und einem Fremdarbeiterlager am Stahnsdorfer Damm geschrieben wurde, geht auf die Arbeit der Heimatforscher zurück. Aufgezeigte Kleinmachnower Schicksale wie die des bürgerlichen Hitler-Gegner Gotthard Sachsenberg oder des ersten DDR-Außenministers Georg Dertinger oder der Aufständischen am 17. Juni 1953 sind verbindende Beiträge – für Ost und West, für alt und neu. Mit Neujahrspaziergängen, Ausstellungen und Publikationen vermitteln die Heimatforscher, mehr als das oberflächliche Bild der idyllischen Waldgemeinde. Die Stammbahn ist nicht nur ein tot vor dem Ort liegendes Gleisbett, der Teltowkanal nicht nur eine künstliche Wasserrinne – beides sind nicht zuletzt durch Dokumentationen der Heimatforscher Kleinmachnower Synonyme den Fortschritt der Vergangenheit und Diskussionsstoff für die Zukunft.. Dass sich der Kleinmachnower Heimatverein sich brisanten und aktuellen Fragen widmet, „die kontrovers behandelt werden, wenn es um konkrete Schlussfolgerungen geht“, wie Hinrich Enderlein anmerkt, wird nicht kritiklos gesehen. Zu politisch agiere der Heimatverein hieß es etwa, als sich durch die Darstellung der Dreilinden Maschinenbau GmbH als NS-Rüstungsfabrik auf die letzte verbliebene Fremdarbeiterbaracke hingewiesen wurde. Die heftige Diskussion über Erhalt oder Abriss führte nicht der Heimatverein, doch allein seine Geschichtsaufarbeitung führte zu der Debatte in kommunalpolitischen Reihen. Dabei bringe des der Verein fertig, „sich aus der politischen Umarmung nahezu tänzerisch zu lösen“, attestiert Bürgermeister Wolfgang Blasig dem Heimatverein eine besondere Gabe, dessen Vorsitzender Rudolf Mach in der Tat diplomatisches Geschick aufweist. „Ob es Ihnen passt oder nicht: Sie sind im guten Sinne politisch“, überraschte Blasig die Heimatforschern mit einer bemerkenswerten Anerkennung. Und er animierte: Der Heimatverein solle weitere Tabuthemen aufgreifen – „die Gemeinde ist es Ihnen dankbar“. Kleinmachnow ist ein dankbares Feld für Heimatforscher – fruchtbar noch hinzu. Alte und Neue Hakeburg, der Seeberg, der einstige Gutshof, die Alte Zehlendorfer Villenkolonie oder die Machnower Schleuse allein bieten einen reichhaltigen Fundus für Geschichten. Verdienstvolle Ortshistoriker wie Dieter Mehlhardt, Heinz Koch, Herbert Lange oder die Jankowiaks begaben sich schon vor der Wende auf tiefe Spurensuche in der „Grünen Oase im märkischen Sand“, als lange Zeit für einen Heimatverein keine Möglichkeit bestand. Ihre Erben – die Heimatforscher von heute, blättern nicht nur in den Hinterlassenschaften. Ihr lobenswerter Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass sie Kleinmachnower Geschichte durch Zeitzeugen lebendig erscheinen lassen. Und erlebbare Geschichte ist alles andere als antiquiert.

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