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Potsdam-Mittelmark: „Heizt der auch?“

Lange Zeit galt ein Kamin als Luxus. Teure Heizkosten haben ihn zu einer feurigen Alternative gemacht – nicht nur Ofenbauer freut“s

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Teltow - In Münsterland fällt tagelang der Strom aus. In Amerika gerät nach Naturkatastrophen die Ölförderung ins Stoppen. In Russland drohen Erdgaslieferanten unwilligen Kunden, den Hahn zuzudrehen. Und schließlich kündigen die hiesigen Energielieferanten steigende Preise an. Kostenexplosionen und Lieferengpässe lassen die Verbraucher nach alternativen Heizquellen suchen und haben in den vergangenen Wochen dem Kamin oder guten alten Ofen zur Renaissance verholfen.

„Das Sicherheitsempfinden, nicht nur an einer Energiequelle zu hängen, wächst“, weiß Schornsteinfegermeister Bernd Ebert. Der Innungsmeister hat innerhalb seines Teltower Kehrbezirks in den vergangenen drei Monaten so viel Genehmigungen für nachgerüstete Kamine und Öfen erteilt wie in den letzten zehn Jahren nicht. Immer mehr private Häuslebauer denken beim Bau des Eigenheims wieder an einen Schornstein, inzwischen würden sich am Immobilienmarkt Objekte besser verkaufen lassen, wenn die mit einem Schornstein ausgerüstet sind. Für die Schornsteinfegerzunft bedeutet das Nachrüsten einer zusätzlichen Herdstelle eindeutig mehr Arbeit, was Ebert aber keinesfalls bedauert: „Wer beklagt sich heute, wenn er Arbeit hat?“

Galt ein Kamin lange als Luxus, ist er inzwischen Reserve für den Notfall. Viele Jahre diente ein Kamin zur Dekoration. Hat heute Ofenbaumeister Hans-Joachim Klose in seinem Kleinmachnower Ausstellungsraum Kundschaft, hört er immer häufiger die Frage: „Heizt der auch?“ Seit 45 Jahren baut Klose Öfen, eine wirkliche „Saure-Gurken-Zeit“ kannte er nicht. Doch zehn Angestellte, wie zu DDR-Zeiten, kann der Meister schon lange nicht mehr beschäftigen, mit dem Einzug von Gas- und Ölheizungen nach der Wende verschwand der traditionellen Kachelofenbauer. Nachdem nun so manch überlastetes Energienetz kollabierte und Menschen Tage und Nächte in Dunkelheit und Kälte saßen, wächst das Sicherheitsbedürfnis nach einer warmen Stube, haben Ofen- und Kaminbauer Konjunktur. Auch Klose merkt das an seinem Auftragsbuch: „Kann sein“, sagt er, „dass ich bald einen zusätzlichen Mann einstellen muss“. Derzeit arbeite die Vier-Mann-Firma „an der Grenze“.

Auch Kaminlieferanten spüren die Folgen der Energiewende. Jutta Tetzky, die in Bergholz-Rehbrücke und in Müllrose ein Kaminstudio betreibt, hat innerhalb des vergangenen Jahres ihren Umsatz verdoppelt. Bei der Baumarktkette „Praktiker“, ist es sogar zu Lieferengpässen bei Kaminen gekommen. „Wir haben etliche Wochen Lieferzeit“, so Unternehmenssprecher Harald Günter. Die Teltower Praktiker-Filiale macht da keine Ausnahme: „Wir müssen nachbestellen“, bestätigt Marktleiter Winzer. Praktiker-Sprecher Günter datiert den Beginn des „deutschlandweiten Phänomens“ auf den Beginn des Preisanstiegs für Rohöl und Gas im vergangenen Jahr. „Seitdem werden wir von der Nachfrage überrollt.“

Gleichzeitig steigt der Absatz von Kohle und Briketts, was wiederum die selbständigen Brennstoffhändler freut. „Billiges Kaminholz ist im Kommen“, bescheinigt Petra Krüger den PNN eine steigende Nachfrage. Seit 20 Jahren betreibt sie in Stahnsdorf einen Brennstoffhandel. Jahrelang hatte sie Kunden, die wegen der Behaglichkeit und des gehobenen Wohnambientes einen Kamin hatten. Heute würden immer mehr in die Brieftasche schauen und dann zum Holz- und Kohlenhändler gehen.

Oder gleich in den Wald, um sich das Holz zum Feuern selbst zu schlagen. Förster Bernd Krause, der sein Revier zwischen Teltow und Saarmund hat, zählt immer mehr Leute, die sich bei ihm zum Holzeinschlag anmelden. Gut Betuchte lassen ihr exakt abgemessenes Kaminholz von den Waldarbeitern anfertigen. Manche holen sich Meterholz ab. „Die Masse aber schlägt selbst“, so Krause. Schätzungsweise 400 Raummeter Holz wurden im vergangenen Jahr aus seinem Revier getragen, doppelt so viel als in den Jahren zuvor. Einen Raubbau an der Natur muss man dadurch nicht befürchten, im Gegenteil: Krause freut sich über die zulässige Waldpflege. Zudem seien auch die Nachbarreviere reich mit Brennholz gesegnet, so dass kein Kamin kalt bleiben muss.

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