Potsdam-Mittelmark: Hemmschwellen überwinden
Michendorfer Pflegebegleiter wollen Beistand bei Krisen und Konflikten leisten
Stand:
Michendorf - Wird ein Familienmitglied zum Pflegefall, stehen Angehörige oftmals vor der Frage: Pflege zu Hause oder Pflege in einem Heim? Nicht selten sind sie in dieser Situation überfordert, denn mit dem Thema haben sich die wenigsten zuvor beschäftigt und es stattdessen lieber verdrängt. Pflegebegleiter wollen daher Brücken zu den Angehörigen schaffen und beschreiten damit ein neues Terrain bürgerschaftlichen Engagements. Doch es scheint in Michendorf noch Hemmschwellen zu geben, dieses Angebot anzunehmen. Auch die Einladung der Michendorfer Pflegebegleiter ins katholische Gemeindezentrum am Dienstag wurde nicht angenommen.
In der Informationsveranstaltung sollten Vor- und Nachteile häuslicher Pflege sowie der in Heimen aufgezeigt werden. Vorstellen wollten sich dabei auch die Pflegebegleiter, die im Rahmen eines bundesweiten Modellprojektes mit Unterstützung der evangelischen Kirchengemeinde ausgebildet wurden. Das Projekt zielt darauf, die Angehörigen zu stärken, ihnen bei Krisen und Konflikten im Alltag Beistand zu leisten. Helfen wollen sie auch dabei, bürokratische Hürden abzubauen, die sich plötzlich vor Angehörigen auftun. Vor allem sehen sich die Pflegebegleiter aber als neutrale Berater, die gut zuhören können und ihre Hilfe freiwillig anbieten. Doch ihre Hoffnungen auf heiß klingelnde Telefondrähte erfüllten sich bislang nicht. „Vielleicht sind wir noch nicht so bekannt?“, vermuteten sie. Möglich sei aber auch, meinte Pfarrer Uwe Breithor, dass sich im dörflichen Milieu des Ortes bereits Strukturen der Nachbarschaftshilfe etabliert haben. Um ihr Angebot bekannter zu machen, bekamen sie Tipps von der Leiterin des Potsdamer „Kursana Domizils“, Marianne Göttlicher und der Hauskrankenpflegerin Gabriele von Gagern. Beide schlugen vor, auf ambulante Pflegedienste zuzugehen und ebenso Hausärzte über das Angebot zu informieren. Auch einige Angebote der Heimpflege wären vielen Ärzten unbekannt, verwies Marianne Göttlicher auf die Möglichkeit einer Kurzzeitpflege. Diese könnte pflegende Angehörigen für einige Zeit entlasten, um beispielsweise in den Urlaub zu fahren. Auch als Entscheidungshilfe sei diese Form geeignet.
Zuvor hätten viele Angst vor einem streng reglementierten Alltag im Heim, aber danach würden sie feststellen, dass sie dort noch einen großen Teil selbst bestimmen könnten. „Trotzdem ziehen es viele vor, solange wie möglich auf der eigenen Scholle bleiben zu können“, weiß Göttlicher. Das Durchschnittsalter von Heiminsassen liege daher bei 80 Jahren, was verdeutliche, dass Altenpflege ein „Knochenjob“ sei. Das bestätigte auch Gabriele von Gagern. So wie im Heim, sei aber gleichfalls bei der ambulanten Pflege der bürokratische Aufwand sehr hoch, da jeder Handgriff dokumentiert werden müsse. „Würde dieser Schreibwust etwas abgespeckt, hätten wir mehr Zeit für die Pflege.“ Außerdem sei es schwierig für den ambulanten Bereich Fachpersonal zu bekommen, da viele einen Job in stationärer Pflege vorziehen würden, so von Gagern. Auch der Pflegeschlüssel im Land Brandenburg sei einer der schlechtesten. „In Bayern ist er doppelt so hoch.“ Auch die Erstattung der Krankenkassen sei dort anders geregelt. Zudem würden viele Fachkräfte abwandern, weil sie in den alten Bundesländern mehr verdienen, berichtete von Gagern.
Kirsten Graulich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: