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Verwandlung. Aus der Autobahnbrücke wurde 1998 ein Ausflugsziel.

© privat

Potsdam-Mittelmark: Heute ein Besuchermagnet am Fischhaus

Wie die Fußgängerbrücke von der Autobahnraststätte Michendorf an die Saale kam

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Michendorf - Die Fußgängerbrücke über die A10 an der Raststätte Michendorf ist seit Jahren verschwunden und doch gibt es sie noch. Viele Geschichten ranken sich um das Bauwerk – einst war sie für die Deutsche Volkspolizei und die Stasi in der DDR auch ein beliebter Beobachtungsposten auf die Transitstrecke. Später sollen von dort aus auch Autodiebe ihre späteren Opfer ausgespäht haben. Mit dem Bau einer neuer Raststätte in Fahrtrichtung Magdeburg hatte sie ihre eigentliche Bestimmung als Übergang für die Reisenden verloren – die Stahlkonstruktion wurde 1996 abgebaut und sollte eigentlich verschrottet werden.

Wie das verhindert wurde und die Brücke zu einem zweiten sinnvollen Einsatz als Saale-Querung zwischen Schulpforte und Bad Kösen kam, hat jetzt der Naumburger Helmut Schneider von der Arbeitsgemeinschaft Autobahngeschichte e. V. (AGAB) recherchiert. Auslöser sei ein kleiner Beitrag vom August 2011 in der Naumburger Tageszeitung gewesen, erzählt er. Darin wurde über das 12. Brückenfest an der Traditionsgaststätte „Fischhaus“ in Schulpforte und den einstigen Standort des stählernen Bauwerkes berichtet.

Auf einem kleinen Schild an der Brücke wird unter anderem dem Berliner Bauingenieur Helmut Heimbürge gedankt. Er hatte die Idee für die neue Saale-Querung und übernahm auch die Organisation. Heimbürge ist in Schulpforte zur Schule gegangen – sie ist heute ein Internatsgymnasium des Landes Sachsen-Anhalt in den ehrwürdigen Mauern der im 16. Jahrhundert säkularisierten Zisterzienserabtei Pforta. 1995 trafen sich Heimbürge und einige Mitschüler mit ihrem ehemaligen Klassenlehrer Frank-Thomas Gericke zu dessen 65. Geburtstag in dem Gasthaus an der Saale.

Gern hätten sie wie andere Gäste auch einen Ausflug zu den gegenüberliegenden Weinbergen unternommen, doch die einstige handbetriebene Saale-Fähre gab es nicht mehr. Eine neue Fähre schien nicht finanzierbar. „Dann bauen wir eben eine Fußgängerbrücke“, erklärte Heimbürge spontan. Gemeinsam mit dem Planungsbüro Verkehrs- und Ingenieurbau Consult GmbH Potsdam (VIC) entwickelte er die Idee, dafür die ausgemusterte Michendorfer Fußgängerbrücke zu nutzen. Bad Kösens damaligem Bürgermeister Christoph Emus offerierte er: „Ich habe eine Brücke für Sie.“ Aber die Finanzierung erwies sich als schwierig, Emus bekam kalte Füße. Heimbürge selbst rettete mutig mit einer Bürgschaft das Vorhaben, in der Befürchtung, die Brücke werde doch verschrottet, bevor Bad Kösen die Finanzierung auf sichere Füße stellen konnte. Er rief den damaligen Naumburger Oberbürgermeister Curt Becker an – die Stadt übernahm das Vorhaben. Neben Fördermitteln von Land, Bund und EU teilten sich beide Städte die Restkosten.

Im November 1996 wurden die Brückenteile auf Tiefladern abgeholt. Ein Jahr später war Baubeginn. Der 68 Meter lange Überbau wurde um fünf Meter gekürzt. Schrägstützen und Unterbau wurden neu gebaut. Im August 1998 wurde das Mittelstück der Brücke auf Pontons eingeschwommen und eingehoben. Für Heimbürge war es ein „unbeschreibliches Glücksgefühl“, wie er berichtet, als am 3. September die Brücke eingeweiht wurde. Beide Bürgermeister durchschnitten das Band. Ein „von vornherein verrückter Plan“ sei gelungen, habe Becker betont. Seitdem wird jährlich das Brückenfest gefeiert – 2009 erhielt das Bauwerk den Namen Fischhaus-Brücke.

An heißen Sommertagen nutzen Hunderte von Spaziergängern und Radlern die Brücke. Zu der jährlich um Pfingsten stattfindenden „Weinmeile“ bevölkern bis zu 30 000 Menschen den sieben Kilometer langen Saaleabschnitt zwischen dem Weindorf Rossbach und Bad Kösen. Dabei spielt die Fischhaus-Brücke eine wichtige, verbindende Rolle. „Dr.-Helmut-Heimbürge-Brücke“ hätte sie heißen können, aber das scheiterte an der Bescheidenheit des Ideengebers.

www.autobahngeschichte.de

Ute Kaupke

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