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Deutsch für Anfänger. Die fünf Spanierinnen Alba, Maria, Desiree, Delia und Raquel arbeiten seit Anfang März im Senvital-Pflegeheim in Kleinmachnow. Sie gehören zu der wachsenden Gruppe von ausländischen Pflegefachkräften hierzulande. Ihre Hilfe ist gefragt, denn immer weniger junge Deutsche lassen sich für den Beruf begeistern.

© Tobias Reichelt

Potsdam-Mittelmark: Hilfe aus der Not

Fünf spanische Krankenschwestern finden in Kleinmachnow Anstellung, auch weil kaum noch Deutsche im Pflegeheim arbeiten wollen

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Kleinmachnow - Heimweh kennt Maria nicht. Auch nicht nach sieben Wochen Arbeit in Deutschland. Aber der jungen Spanierin fehlt die Familie. Ihr fehlt die Sonne von Malaga und auch der Strand. Die Palmen, die Freunde und ihr Hund Roque. „Aber was bedeutet Heimweh?“, fragt Maria in gebrochenem Deutsch und sieht ihre Lehrerin mit großen runden Augen an. Morriña, übersetzt die und Maria und ihre vier jungen Kolleginnen nicken. Oh doch, Morriña kennen sie.

Maria, Alba, Desiree, Delia und Raquel heißen die fünf spanischen Pflegefachkräfte, die seit Anfang März im neuen Kleinmachnower Senioren- und Pflegeheim Senvital in der Förster-Funke-Allee arbeiten. Die 22 bis 26 Jahre jungen Frauen sind Teil einer größer werdenden Gruppe von ausländischen Pflegefachkräften in Deutschland. Denn der Nachwuchs aus dem eigenen Land fehle, sagt Birgit Lieske, Senvital-Pflegedienstleisterin. „Wir suchen ständig Fachkräfte.“

Bundesweit fehlen der Branche etwa 50 000 Altenpfleger. Immer weniger junge Deutsche lassen sich für den Beruf begeistern: Die Bezahlung ist schlecht, die Belastungen hoch. Gearbeitet werden muss im Schichtdienst, nachts, am Wochenende und an Feiertagen. So kam es, dass Senvital in Kleinmachnow und Hamburg das Pilotprojekt mit insgesamt zehn spanischen Kräften startete.

„Wir haben deutschlandweit einen Mangel an Fachkräften“, bestätigt auch Beate Raabe, Sprecherin der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit. Deshalb wirbt ihre Einrichtung um Personal aus dem Ausland. In Südeuropa ist die Arbeitslosigkeit derzeit so hoch, dass der Weg nach Deutschland attraktiv scheint. Viele junge Menschen aus Südeuropa stünden vor der Entscheidung: arbeitslos im Heimatland oder Arbeit im Ausland. „Die Bereitschaft und das Interesse steigt, sich im Ausland zu bewerben.“ So müssten junge Ärzte in Griechenland derzeit nach dem Studium teilweise vier bis fünf Jahre auf ihre Facharztausbildung warten, sagt Raabe. Das wollen viele nicht.

„In Spanien gibt es nicht viel Arbeit“, sagt auch Krankenschwester Raquel. Die Arbeitslosenquote bei Jugendlichen beträgt 55 Prozent – da schien der Weg nach Kleinmachnow ein gangbarer. Im Pflegeheim bekommen die spanischen Frauen dreimal in der Woche je vier Stunden Deutschunterricht. Ein Zimmer im Heim wird ihnen gestellt. Wenn es weiter so läuft, kann sich zum Beispiel Delia sehr gut vorstellen, länger zu bleiben.

Doch sicher ist das nicht, weiß Bettina Raabe zu berichten. Immer wieder brechen Ausländer den beruflichen Neuanfang ab. Zwar lasse sich Heimweh über Internettelefonie und mit Billigfliegern zumindest ein bisschen heilen. Wichtig sei aber auch, dass die Zuwanderer neue Freunde vor Ort finden, um im Sportverein oder bei anderen Hobbys Anschluss zu bekommen. „Auch das Wetter ist ein Thema“, sagt Beate Raabe. Manchen Südeuropäern fehle in Deutschland die Sonne, gerade in der kalten Jahreszeit.

So konnte die Vermittlung der Arbeitsagentur nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr nur 56 Pfleger nach Deutschland locken. Sie kamen unter anderem aus den südeuropäischen Ländern, aber auch aus Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina oder den Philippinen. Neben der Arbeitsagentur holen aber auch andere Einrichtungen ausländische Pflegekräfte in die Bundesrepublik. Auf Jobbörsen werben sie um den Nachwuchs.

Der Wettbewerb um die ausländischen Fachkräfte ist international groß, sagt Raabe. Auch in England, Skandinavien oder Neuseeland fehlen Ärzte und Schwestern. „Da kommt der Standortnachteil Deutschlands ins Spiel: die Sprache.“ Fachlich gebe es nur selten Defizite bei den ausländischen Pflegern. Aber erst wenn sie tatsächlich ausreichende Deutschkenntnisse nachweisen können, werden sie auch in Deutschland als Fachkraft anerkannt und dann auch dementsprechend bezahlt.

Das gilt auch für die jungen Spanierinnen in Kleinmachnow. Obwohl sie ihren Beruf studiert haben, werden sie bislang noch als Pflegehelfer entlohnt. Erst in einem halben Jahr sollen die jungen Frauen ihre Deutschprüfung ablegen können.

Anja Kistler vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe hält es deshalb für ethisch bedenklich, sehr gut ausgebildete Fachkräfte in Deutschland – auch wenn es nur zeitweise ist – schlecht zu bezahlen. „Wir nutzen ihre wirtschaftliche Not aus.“ Würde es in Spanien keine so hohe Arbeitslosigkeit geben, wären die fünf Frauen wohl nie nach Kleinmachnow gekommen. „Sie müssen dort eine ganz andere Pflegekultur lernen.“ Keine ausgebildete Fachkraft müsse in Spanien einen Patienten waschen. In Deutschland ist das hingegen im Pflegeheim üblich. Und üblich seien auch die schlechten Arbeitsbedingungen. Würde man diese verbessern, könnte man auch wieder mehr Deutsche für den Job interessieren, sagt sie.

Vermittlungssprecherin Raabe verteidigt den Austausch hingegen: Sprachkenntnisse sind wichtig im Pflegeberuf. „Die Patienten müssen sich verstanden wissen.“ Wenn das sichergestellt sei, könnten die Pfleger als Fachkraft selbstständig arbeiten.

Das ist auch das Ziel der fünf Spanierinnen in Kleinmachnow. Im August wollen Maria und ihre Kolleginnen ihren Deutschtest absolvieren. Bis dahin bleibt Zeit, Land und Leute kennenzulernen. Die Siegessäule und das Brandenburger Tor in Berlin haben die Frauen schon gesehen. Auch einen deutschen Frühlingstag haben sie in der Sonne schon genossen. Zwar ohne spanische Palmen, dafür aber am Wasser des Wannsees.

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