
© dpa
Potsdam-Mittelmark: Hilfe vom Schulpsychologen
Nach dem Skiunfall eines elfjährigen Mädchens aus Nuthetal kümmern sich Fachleute zum Schulstart um die Mitschüler
Stand:
Nuthetal - Die Ferien sind zu Ende, die Schule beginnt. Ein Platz in der Nuthetaler Otto-Nagel-Grundschule wird am Montag leer bleiben. Wie berichtet ist am 2. Februar ein elfjähriges Mädchen aus Nuthetal bei einem Skiunfall in Tirol ums Leben gekommen. In Nuthetal sorgte die Nachricht von dem tragischen Unfall für Fassungslosigkeit. Bürgermeisterin Ute Hustig (Linke) kündigte daraufhin an, mit der Schule gemeinsam eine schulpsychologische Betreuung zu organisieren. Für solche Unglücksfälle sind die Behörden inzwischen gut gewappnet.
„Am Montag werden viele Fragen kommen“, sagt Stefan Drewes. Er kennt als Leiter der Sektion Schulpsychologie im Berufsverband deutscher Psychologen die Aufgaben, die auf seine Kollegen zukommen. Die Kinder würden genau wissen wollen, was passiert sei, um das tragische Ereignis einordnen zu können, sagt Drewes. „Der Schulpsychologe muss daher die Lehrer auf die Gespräche mit den Schülern vorbereiten und ein Auge auf manche Kinder haben.“
Besonders bei stillen und zurückhaltenden Kindern müsse man darauf achten, dass „sich durch so eine Nachricht nicht ihre Ängstlichkeit verstärkt“. Durch Gespräche versuche man zu vermeiden, dass sie vor Wintersport oder Sport allgemein Angst bekommen. „Oftmals sorgen sie sich auch um ihre Geschwister oder haben Angst im Straßenverkehr.“ Auch Schüler, die im unmittelbaren Umfeld einen Todesfall hatten oder der Tod eines Angehörigen bevorsteht, würden besondere Betreuung brauchen.
Aktuell stehen rund 32 Psychologen in Brandenburg für Notsituationen an Schulen zur Verfügung. Demnach betreut ein Psychologe rund 28 Schulen. Die Experten für psychische Störungen sind Angestellte des Landes und den Schulämtern zugeordnet. Um tödliche Schulunfälle aufzuarbeiten, bietet die Unfallkasse Brandenburg auch die Hilfe eines Kriseninterventionsteams an. In Nuthetal ist die Unfallkasse auf Bitten der Bürgermeisterin aktiv geworden: Sie versichert unter anderem Schüler und Kitakinder bei Schul- und Wegeunfällen. Jetzt kümmert sie sich um die psychologische Betreuung in Nuthetal.
Das Mädchen aus der Otto-Nagel-Schule war mit den Eltern in die Winterferien in das österreichische Skigebiet Going gefahren. Es war in einer Kurve von der Piste abgekommen und zehn Meter in ein Bachbett gestürzt. Trotz Helm erlag die Elfjährige ihren schweren Verletzungen am Kopf und an der Wirbelsäule.
Todesfälle wie diese mit betroffenen Mitschülern aufzuarbeiten, sei besonders nach den Amokläufen in Erfurt und Winnenden zum Thema geworden, sagt die Pressesprecherin der Unfallkasse, Andrea Woitschack. Das bestätigt auch Schulpsychologe Drewes: „Man hat mittlerweile mehr Erkenntnise darüber, dass posttraumatische Belastungen längerfristige psychische Störungen hervorrufen können.“ Daher werde es wichtiger, Traumatisierungen vorzubeugen. Der Einsatz eines Schulpsychologen sei heutzutage umso mehr geboten, weil „dramatische Unfälle durch die Medien und mobile Dienste schneller verbreiten werden, die Zahl der Betroffenen somit größer ist“.
Auch für größere Notfälle hat sich die Unfallkasse mittlerweile gut gerüstet: „Wir haben ein psychologisches Notfallteam aufgebaut, das zum Beispiel bei einem Unglück eines Schulbusses oder einem Amoklauf mit der Polizei zusammenarbeitet und hinterher Lehrer und Kinder betreut“, so Woitschack. Mittlerweile seien an die rund 900 Schulen im Land mit Notfallplänen ausgestattet. Darin wird beschrieben, wie man sich bei Amoktaten oder -drohungen und anderen Gewalttaten zu verhalten hat. Auch was nach einem Todesfall in der Schule zu tun ist, wird dort erklärt. Außerdem gebe es ein Notfalltelefon.
Für die Schüler der Nuthetaler Otto-Nagel-Grundschule biete ein Trauerritual jetzt große Hilfe: „Man kann sich darauf einigen, dass der Platz des Mädchens einige Zeit freigelassen wird“, erklärt der Schulpsychologe Drewes. Die Kinder könnten eine Kerze dort hinstellen oder ein gemeinsam gemaltes Bild und ein Gebet auf dem Platz ablegen. Gerade in den ersten zwei bis drei Tagen nach den Winterferien werde die Trauerarbeit noch intensiv sein. „Danach sollten die Lehrer aber immer noch signalisieren, dass sie gesprächsbereit sind, falls Schüler noch das Bedürfnis haben, über den tragischen Todesfall reden zu wollen.“ Zudem könne das Thema Unfall und Tod auch im Religions- oder Ethikunterricht behandelt werden.
Die Nachsorge der Schulpsychologen dauere im Schnitt zwischen zwei und drei Wochen, weiß Drewes. Auch die Eltern der Kinder könnten von der schulpsychologischen Betreuung profitieren. In Nuthetal müssten sie sich jetzt überlegen, wie sie mit den trauernden Eltern des Mädchens umgehen sollten. Und die Trauerarbeit endet nicht mit dem Schulunterricht: Eltern können ihre Kinder, ohne sie zu drängen, auf den tragischen Unfall ansprechen, gibt Drewes einen Tipp. Sie sollten ihnen klarmachen, dass so schlimme Unfälle passieren könnten, „und dabei versuchen, ihnen ihre Ängste zu nehmen“, so Drewes.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: