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Hilft alten Damen über die Straße. Ellen Wisniewski aus Zauchwitz.

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Potsdam-Mittelmark: „Ich bin nicht der Typ, der aufgibt“

Die 87-jährige Ellen Wisniewski ist seit 20 Jahren Ortsvorsteherin und noch immer nicht politikmüde

Von Eva Schmid

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Beelitz - Wenn ein weißer Ford Fiesta durch Beelitz düst, dann weiß man, wer hinter dem Steuer sitzt. Langsam fahren oder gar schleichen, das kennt die Zauchwitzer Ortsbürgermeisterin Ellen Wisniewski nicht, das widerspricht ihrem Temperament. Seit Jahrzehnten bestimmt die grauhaarige Frau mit den hellen Augen die Geschicke des Beelitzer Ortsteils Zauchwitz. Mittlerweile ist sie mit ihren 87 Jahren wahrscheinlich die älteste Ortsvorsteherin landesweit. Das wird zumindest im Beelitzer Rathaus vermutet, genau werden die Daten zu den Ortsvorstehern im Land nicht erfasst.

Auch in der SPD-Fraktion der Beelitzer Stadtverordnetenversammlung ist die Seniorin noch aktiv. Politikmüdigkeit – nein, die spürt sie nicht. Nur manchmal fragt sie sich, wieso sie das alles noch macht und woher die Kraft für die ehrenamtliche Arbeit kommt. Ohne lange zu überlegen, fällt ihr dann die Antwort ein: „Ganz einfach, ich habe ein großes Interesse am Aufbauen.“

Und sofort ist sie am Aufzählen, für welche Baumaßnahmen sie im 300-Einwohner-Ort gekämpft hat, auch gegen Widerstände. „Ich nehme kein Blatt vor den Mund – auch nicht vor den Genossen in der SPD“, sagt sie und schaut dabei ernst. Sie schwärmt, wenn sie von ihren Projekten erzählt, deutet mit dem Arm nach links und rechts, um zu zeigen, an welchem Fleck in Zauchwitz was passiert ist oder noch dringend passieren soll.

„Das Allererste, was ich hier gemacht habe, als ich 1979 kam, war der Umbau der damaligen Kinderkrippe. Die hatte keine Toiletten, nur ein Plumpsklo.“ Wichtig war ihr eine geregelte Wasserver- und Entsorgung. Noch zu DDR-Zeiten hat sie auch die Oberleitungen unter die Erde verlegen lassen. „Damals war das ja ein Mach-Mit-Wettbewerb, wir hatten keine Kapazitäten“, erinnert sich die Ortsvorsteherin, die in Halle (Saale) geboren wurde. Ein altes Bauerngehöft hat sie zum Gemeindezentrum und Feuerwehrdepot umbauen lassen.

Heute setzt sie sich für den Bau des Radweges Richtung Trebbin ein, und auch das zu Zauchwitz gehörende Körzin kommt nicht zu kurz, dort gibt es jetzt den ersehnten Parkplatz am Ortseingang. Wenn sie auf ihre Arbeit zurückblickt, ist sie stolz: „Wir haben so viel geschafft und geschultert.“ Zu tun gibt es nach wie vor genug. Ihre Maxime: etwas für die Gemeinschaft tun. „Und als Kind, das im Krieg aufgewachsen ist, gilt für mich auch: Nie wieder Krieg!“

Dafür ist sie schon früh in die Politik gegangen. In Rochlitz bei Chemnitz, wo sie nach dem Krieg lebte, hat sie 1945 die dortige SPD mitbegründet. Eigentlich war sie vor dem Krieg zur Kontoristin ausgebildet worden. Zu Kriegszeiten musste sie Straßenbahnen fahren und nach dem Krieg kam sie per Zufall nach Potsdam: „Auf den Weltfestspielen in Berlin 1951 habe ich einen meiner ehemaligen Lehrer auf der Ehrentribühne gesehen und später mit ihm am Wurststand gesprochen.“ Der ehemalige Lehrer war Rudolf Jahn. „Ich sagte zu ihm: Mensch, Rudi, was machst du denn jetzt so?“ Ihr Lehrer war mittlerweile Ministerpräsident des Landes Brandenburg und holte sie noch im gleichen Jahr nach Potsdam – als persönliche Referentin. „Ich dachte, das kann ich doch nicht“, erzählt sie mit verschmitztem Lächeln. Irgendwie ging es dann doch.

Immerhin wurde sie im gesamten Potsdamer Landkreis eingesetzt: Sie kam als stellvertretende Bürgermeisterin 1967 nach Caputh. Anfang der 70er-Jahre machte sie für fünf Jahre als Bürgermeisterin Station in Ferch. „Auch dort haben wir das erste Feuerwehrdepot gebaut, da hatte Werder noch lange keins.“ 1979 ging es dann nach Zauchwitz. „Eigentlich wollte ich ja nach Alt-Seddin. Da dachte ich, habe man mehr zum Aufbauen“, erzählt die Ortsvorsteherin.

Wenn Ellen Wisniewski erzählt, dann spricht sie vom Staatsapparat, dem kapitalistischen System und ihrer Zeit, als sie auch mal in der Produktion gearbeitet hat. Sie benutzt die Wörter ganz selbstverständlich, als würden sie auch heute noch im Sprachgebrauch verwendet. Für sie sei es in der DDR auch immer wichtig gewesen, betont sie, dass „die Nazis nicht wieder hochkommen.“

Zum Ende der DDR sei sie aus Altersgründen aus dem Amt ausgeschieden und in Rente gegangen. Lange währte die Ruhe aber nicht. Bereits 1993 wurde sie von der Beelitzer SPD zurückgeholt und als Bewerberin für das Bürgermeisteramt in Zauchwitz aufgestellt. Seitdem kämpft sie wieder: „Ich hätte seitdem schon einhundertmal das Handtuch schmeißen können, aber ich bin eben nicht der Typ, der schnell aufgibt.“

Das kann man ihr glauben. Nach wie vor schaut sie, dass es in Zauchwitz vorangeht. Wenn nötig, eilt sie dazu, wenn ältere Damen über die Straße gehen. Dann werden sie von ihr gestützt, obwohl sie wahrscheinlich um einiges jünger sind als Ellen Wisniewski. Eva Schmid

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