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Stilecht chauffiert. Hans Zeun, Hartmut Paschen und Manuela Saß haben sich auf dem umgebauten Krabbenkutter von 1948 schon auf das Shanty- Chor-Festival eingestimmt.

© Enrico Bellin

Havelauenfest in Werder (Havel): Im Krabbenkutter über den Zernsee

Zum Havelauenfest und Shanty-Chor-Festival kann man Werder von der Wasserseite aus erleben.

Von Enrico Bellin

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Werder (Havel) - Ruhig schaukelt die Anna Maria in den Wellen des Stichkanals in den Werderaner Havelauen. Der Holzkutter hat zur Vorbereitung des Havelauenfestes am Samstag und des Shanty-Chor-Festivals am Sonntag stilecht Akkordeonspieler an Bord, die von der Ostseeküste stammende Bürgermeisterin lässt daneben ihre Haare im Havelwind wehen.

„Das Schiff wurde 1948 als Krabbenkutter gebaut, ich habe es in den vergangenen 30 Jahren zu einer Kutteryacht ausbauen lassen“, sagt der 77-jährige Kapitän Günter Schauder bei einer Bootstour über den Zernsee. Seit zehn Jahren ist sein Heimathafen in Werder, die stolze Yacht kann im Normalfall am Anleger gegenüber des Hotels Prinz Heinrich auf der Insel begutachtet oder für eine Rundfahrt für bis zu zwölf Personen gebucht werden. Schauder selbst wohnt nur 200 Meter vom Anleger entfernt. „Alles über 500 Metern Fußweg ist Landstreicherei“, scherzt der Mann, der den Großteil seines Lebens abseits der Küste im Großraum Hannover verbracht hat und von dort zu seinem Schiff an die Nordsee gependelt ist. Griffe am Dach des Kutters deuten noch auf die Zeit hin, wo Schauder und sein Schiff regelmäßig auf dem Weg nach Helgoland Hochseewellen bezwungen haben. Auf der Havel sind sie nur noch Schmuck, auch wenn dort rund um Werder einiges los ist.

„Die Stadt hat Dutzende Marinas mit tausend Bootsliegeplätzen, an jedem siebten können Gäste anlegen. Tourismus, Handel, Gewerbe – alles ist eng mit der Havel verwoben, und das seit 700 Jahren“, sagt Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU). Nicht nur die Kernstadt selbst, sondern fast alle Ortsteile liegen direkt am Wasser. Daher kommt die hohe Zahl der Liegeplätze.

Die neusten sind an der Promenade in den Havelauen, wo am Wochenende gefeiert wird. Am Samstag um 14 Uhr wird das Havelauenfest offiziell eröffnet, bereits ab 10 Uhr kann man das neue Wohngebiet von oben bei einem Helikopterrundflug erkunden. Neben der Vorstellung von Vereinen und einem Regionalmarkt gibt es Live-Musik auf der Bühne von Jazz mit Thomas Walter Maria bis zu Rock und Punk mit der Werderaner Band Lennox. Den Abschluss bildet um 22 Uhr ein Höhenfeuerwerk.

Maritime Melodien werden dann beim Shanty-Chor-Festival am Sonntag übers Wasser wehen. Untermalt werden sie aber nicht nur traditionell mit dem Schifferklavier, die fünf auftretenden Chöre aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt lassen sich mit Saxofonen oder Elektrogitarren unterstützen. „Bei uns sind etwa die Gitarristen der Big Beat Boys dabei“, sagt Hans Zeun von den Potsdamer Havelschippern.

Jeder Chor präsentiert sich auf der Bühne etwa 45 Minuten lang. Neben den originalen Shanties – den 200 bis 300 Jahre alten Arbeitsliedern der Seeleute – werden auch themenbezogene Schlager gespielt. Am Anfang und am Schluss singen alle Chöre zusammen, mehr als 100 Stimmen erklingen dann gleichzeitig über den Havelauen. „Das war beim letzten Mal ein großer Gänsehaut-Moment“, so die Bürgermeisterin.

Vor drei Jahren hatte das Festival in Werder Premiere. Die dort wohnende Moderatorin Marina Ringel hat es gemeinsam mit Hartmut Paschen ins Leben gerufen. Paschen ist Leiter des Shanty-Chores Stella Maris in Kyritz (Ostprignitz-Ruppin). Beide lernten sich kennen, als Marina Ringel in der Hansestadt die Tour de Prignitz moderiert. Schnell kam die Idee, ein Festival zu organisieren. „Die Premiere war der Wahnsinn mit 3000 bis 4000 Besuchern“, erinnert sich Ringel. Gerechnet hatten sie mit ein paar Hundert Menschen.

Nach Stationen in Rathenow und Oranienburg in den Vorjahren ist das Festival nun zurück in Werder, im Jahr des 700. Stadtjubiläums wollte man Ringel zufolge zurück zu den Anfängen. Inzwischen habe man sogar schon Chören absagen müssen – mehr als fünf Stunden solle das Festival nicht dauern. „Wenn Chöre extra aus Halle (Saale) anreisen, sollten sie zudem mehr als drei Lieder singen können“, so Hartmut Paschen.

Die Tradition des Shantys sei nie weg gewesen. Zwar habe Brandenburg keinen Zugang zum Meer und kaum christliche Seefahrt. „Es gibt aber eine Menge Freizeitsegler gerade entlang der Havel. Gerade sie sind es, die Spaß an der Musik haben“, so Paschen.

Einen Segelmast gibt es auch noch auf dem Kutter von Günter Schauder, den Vortrieb übernimmt jedoch ein Dieselmotor. Er wird die Anna Maria zu den Festen am Wochenende für Rundfahrten über den Zernsee treiben. An anderen Tagen fährt der Kapitän auf Bestellung, meist eine Runde um die Werderaner Insel. Eine Stunde private Schifffahrt kostet 100 Euro, die nächsten werden günstiger.

Bis vor drei Jahren habe Schauder auch auf dem Boot gewohnt, „im Winter bin ich dann immer nach Gran Canaria geflogen“. Sein Geld hatte er mit der Organisation der Müllabfuhr im Landkreis Hannover verdient. Vier Frauen hat der Hobby-Kapitän bereits „verschlissen, seit ich die Anna Maria habe“. Doch jetzt sei er verheiratet und sesshaft geworden.

www.rundfahrten-werder.de

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