Potsdam-Mittelmark: Im Zentrum der Kritik
Bürgermeister Enser ist die CDU – in guten und in schlechten Zeiten
Stand:
Stahnsdorf - Ein wenig mag sich Gerhard Enser in diesen Tagen vorkommen wie der Zauberlehrling, der die gerufenen Geister nicht mehr los wird. Einst rief er die CDU, oder die Partei ihn, und eine Zeitlang herrschte das Bild, als sei Bürgermeister Enser die Stahnsdorfer CDU.
Zur Kommunalwahl 2003 kandidierte Enser für den Gemeinderat, obwohl klar war, dass er als Bürgermeister kein Mandat annehmen kann. Enser machte aus seiner eigenen Mission keinen Hehl: Er wolle als Rathauschef mit der stabilen Mehrheit einer starken CDU-Fraktion agieren und nicht ständig Kämpfe austragen. Um auf Nummer sicher zu gehen, begab sich Enser selbst als Spitzenkandidat auf Stimmenjagd. Mit Erfolg: 3817 Wähler machten ihr Kreuz hinter seinem Namen. Die restlichen 26 CDU-Kandidaten kamen zusammen auf 1839 Stimmen.
Ohne Zweifel: Enser hat der Stahnsdorfer CDU Gesicht und Profil gegeben. Erst unlängst erklärte Ortsparteichef Peter Weiß, dass man im nächsten Jahr am liebsten noch mal Enser als Bürgermeister-Kandidaten aufstellen würde, was „bedauerlicherweise“ nicht geht. Es darf also nicht verwundern, wenn man in Stahnsdorf meint, die CDU wäre Gerhard Enser.
Das Projekt „Stabile Mehrheiten“ funktioniert so gut, dass in Stahnsdorf das politische Geschäft nahezu reibungslos funktioniert. Die Mehrheitsfraktionen aus CDU, FDP und Wir Vier nicken ohne großes Debattieren die Beschlüsse aus dem Rathaus ab. Auf der anderen Seite hat die von Enser geführte Verwaltung kaum Probleme mit Vorschlägen der CDU. Im Juni allerdings bekam das harmonische Wechselspiel einen Knacks. Als Enser den Vorentwurf zum gemeindlichen Flächennutzungsplan (FNP) vorlegte, drohte ihm die CDU-Fraktion, die Gefolgschaft zu versagen. Enser zog das Papier zurück.
Der FNP definiert die Nutzungsart sämtlicher Bereiche in einem Ort. In dem vorliegenden Vorentwurf ist geklärt, wo in Stahnsdorf bis 2020 was gebaut werden kann, wo es Grün- und Waldflächen geben soll. In einem Ort, der sich auf der Gemeinde-Homepage selbst als Gartenstadt preist, ist der Sinn fürs Grüne besonders ausgeprägt. Zehn Bürgerinitiativen gibt es in Stahnsdorf, die der Protest gegen „massive Baugebiete“ und die Forderung nach dem Erhalt innerörtlicher Wiesen und Baumareale eint. Vor allem sie laufen Sturm gegen den FNP-Vorentwurf, den Bürgermeister Enser heute erneut vorlegt – mit solchen Änderungen, die eine Zustimmung der CDU wohl garantieren. Unter anderem die teilweise Bebauung des Beethovenwäldchens an der Potsdamer Straße würde durch die jetzige FNP-Version möglich, womit ein Vorschlag der CDU erfüllt wird. Dass Enser eine differenzierte Meinung zum Umgang mit dem Wäldchen hat, spielt beim Unmut der Bürgerschaft über den FNP-Vorentwurf allerdings keine Rolle. Zu oft setzte sich der Bürgermeister als „Lenker und Denker“ in den Mittelpunkt, zu sehr funktioniert die vor vier Jahren selbst inszenierte Identifikation mit der CDU, so dass Enser nun auch im Zentrum der Kritik steht. Ensers „Befehl zum FNP ist zu befolgen“, heißt es in einem vorgestern verteilten Flugblatt der „Bürgerinitiativen Stahnsdorfs“ Dass für die heutige Gemeindevertretersitzung die Zuschauerzahl auf 60 limitiert wurde und Platzkarten verteilt wurden, ist in den Augen der erbosten Bürgerschaft eine „zweifelhafte Aktion“ des Bürgermeisters. Tatsächlich aber ist für die Einladung der Vorsitzende der Gemeindevertretung verantwortlich. Das ist Michael Burhenne - von der CDU, womit sich für viele der Kreis wieder schließt.
Bürgermeister Enser, so tönt die örtliche SPD, habe die Stimmung der Stahnsdorfer bei der FNP-Thematik verkannt. Es lässt sich wahrlich spekulieren, ob Enser seinem Parteifreund und Ortsparlamentschef Burhenne nicht einen – mehr oder weniger – vertraulichen Hinweis hätte geben können, für die mit Spannung und Interesse erwartete Tagung rechtzeitig einen ausreichend großen Saal zu organisieren. Kalkül oder Fehleinschätzung? - was auch immer: Genüsslich nimmt die SPD zu Kenntnis, dass Enser ins Kreuzfeuer geraten ist.
Im Vorjahr der nächsten Bürgermeister- und Kommunalwahl kommt der bislang blassen Orts-SPD der Bürgerzorn gerade recht, um die „Verantwortlichen“ für die vermeintlich fatale Ortsentwicklung zu benennen und zum Doppelschlag auszuholen: Man zielt auf die CDU-Fraktion und trifft gleichzeitig den Bürgermeister.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: