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Neue Wege in der Landwirtschaft in Glindow: Immer was zu scharren

Der Bauer Stefan Luczkowski aus Glindow geht bei der Hühnerhaltung und beim Eierverkauf neue Wege. Das fühle sich einfach gut für ihn an. Nun hofft er, dass es die Kunden auch so sehen.

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Werder (Havel) - Sie scharren und picken sich rund in der Apfelplantage. Die Federn glänzen, und wenn man sie besuchen kommt, zwicken sie zutraulich den Zeh und gackern versonnen. In der Nähe von Glindow-Elisabethhöhe kann man sich den Gegenentwurf zu den Bildern anschauen, die Tierschützer gelegentlich in Legebatterien von unglücklichen, abgemagerten, verängstigten und zerzausten Hühnern machen. Die 360 Hühner in Glindow sehen dagegen aus wie fürs Werbefernsehen zurechtgeschminkt.

Täglich legen sie mehr als 300 Eier. Landwirt Stefan Luczkowski sammelt sie von Hand ein, setzt dazu diese oder jene Henne, die partout nicht aufstehen will, im Dinkelschalenbett um. Einige Eier sortiert er aus, sie sind einfach zu groß für die Verpackung. Und er verkauft sie auch selbst – an Eierautomaten, wie sie selten sind in Brandenburg.

Luczkowski verkauft die Eier an Eierautomaten

Einen hat er vor seinem Haus in Glindow und einen im Geltower Gartencenter. Direktvermarktung – klar, er wolle sich ja nicht von anderen erzählen lassen, dass seine Arbeit wertlos ist. Und mit den Automaten benötige er dafür nicht einmal Personal. In West- und besonders in Süddeutschland sind die sogenannten Regiomaten, mit denen sich auch andere Landwirtschaftsprodukte genau wie Coca Cola verkaufen lassen, weit verbreitet, stehen zu Dutzenden in den Großstädten. Anders in Berlin und Brandenburg, wohin der Hersteller aus Baden-Württemberg, die Firma Stüwer, nach eigenen Angaben erst sechs verkauft hat, zwei davon nach Glindow.

Luczkowski ist innovativ, probiert neue Wege, schaut sich um. Er ist 35 Jahre alt, stammt aus Hessen, hat Landwirt gelernt und in Berlin Landwirtschaftswissenschaft studiert. Vor acht Jahren kaufte sich die Familie mit drei Kindern ein altes Siedlerhaus in Glindow. Bis vor zwei Jahren war Luczkowski Betriebsleiter eines großen Agrarbetriebes in Dahmsdorf. Nebenbei betreibt er seit Jahren einen Mahl- und Mischbetrieb für Tierfutter – inklusive Landwirtschaftsflächen von 50 Hektar, auf denen Weizen, Gerste, Roggen und Erbsen wachsen.

Fünf-Sterne-Hotel für Hühner

Als seine Frau – ebenfalls Landwirtin – wieder arbeiten, er wieder mehr Zeit im Siedlerhaus verbringen wollte, habe er nach einem zweiten konjunkturunabhängigen Standbein gesucht, auch um sich seine Arbeitszeit für die Kinder besser einteilen zu können. Er wollte nicht nur Geld verdienen, es sollte sich auch gut anfühlen. Da hat er sich nicht nur die beiden Automaten, sondern auch zwei mobile Hühnerställe der hessischen Firma Weiland zugelegt. Einen hat er seit einigen Wochen in Betrieb, ein zweiter kommt im August, weitere Hühner sind auch schon bestellt. Das alles mache nur Sinn mit zwei Ställen. Wenn das Geschäftsmodell funktioniert, soll es nicht dabei bleiben.

Die preisgekrönten Hühnermobile gelten derzeit als das Nonplusultra bei der artgerechten Haltung von Federvieh. In Südwestdeutschland sind sie weit verbreitet: Einwohner von Stuttgart, Pforzheim oder München haben die Wahl, Eier von besonders glücklichen Hühnern zu kaufen, wie es aus dem Unternehmen heißt.

Die Ställe wandern jede Woche weiter

Obwohl Berlin ein interessanter Markt sei, wurden die Ställe auf Rädern in Brandenburg bislang nur in Herzberg und an den Rübchenbauern Szilleweit in Teltow verkauft. Sie sehen aus wie überdimensionierte Wohnmobile, innen mit Sitzstangen, Kraftfutter-Rundtöpfen, Scharrraum, gepolsterten Legestrecken, Mistband unter den Rosten, Belichtung und Belüftung ausgestattet. Ein Fünf-Sterne-Hotel fürs Federvieh. Das Ganze lässt sich mit dem Trecker fortbewegen. Aber wozu eigentlich?

Stefan Luczkowski – er nennt sich Bauer Stefan – erzählt, warum er mit dem Stall jede Woche weiterwandert auf der großen Plantage, warum er jedes Mal eine neue Weide mit Elektrozaun umfängt. „Bei stationären Ställen mit Freilandhaltung fressen die Hühner die Flächen schnell kahl.“ Der dann entstehende Schlamm mit Kot sei Brutstätte für Keime, die Hühner erkrankten. Mit dem „Hühnermobil“ könne man von abgefressenen Freigehegen umziehen auf solche, die schon wieder grün und sauber geregnet sind. Der Krankheitsdruck sinke erheblich. Was er erzählt und womit Weiland wirbt, sind keine leeren Versprechen: Die Haltungsform wird vom Deutschen Tierschutzbund empfohlen.

Biofutter bekommen die Hühner nicht, aber selbst gemischtes

Da Hühner von Natur aus Waldtiere sind, kommt den Tieren auch seine alte Apfelplantage sehr entgegen, sagt Bauer Stefan. Sie fühlten sich durch die Apfelbäume vor Greifvögeln besser geschützt und entfernten sich so ohne Angst weiter vom Stall. Nebenbei senken sie den Schädlingsdruck auf die Bäume, glaubt Luczkowski, der darüber nachdenkt, aus den Früchten im Herbst Apfelsaft zu pressen und den dann auch in den Eierautomaten zu vertreiben. Vielleicht stellt er noch einen Regiomat in Caputh auf, überlegt er. Kooperationsversuche mit Potsdamer Supermarktketten seien leider gescheitert. Das ist dann offenbar doch ein wenig zu viel Regio für den Handel.

Das gentechnikfreie Kraftfutter für seine Hühner – wie sollte es mit eigenem Mischbetrieb anders sein – mischt Stefan Luczkowski selbst mit Weizen, Mais, Sonnenblumenkernen, Schrot, Kalk und Kartoffelprotein. Öko sei das Futter nicht, Biogetreide würde seine Regio-Eier extrem verteuern, sagt Luczkowski. Und mehr als 3,80 Euro für das Zehnerpack will er nicht nehmen. Er habe einfach ein gutes Gefühl bei dem, was er tut, finde richtig, wie er es mache. Nun müsse sich zeigen, ob das andere auch so sehen.

Annette Katzmann und Gertrud Bredel – Mutter und Tochter – die am Mittwoch am Gartencenter Geltow vor dem Eierautomaten hängenbleiben, sehen es so. Katzmann hat die 3,80 Euro passend, wirft sie in den Geldschlitz ein. Der Automat rumpelt, wie im Fahrstuhl kommt eine Eierpackung heruntergefahren und landet sanft im Warenschacht. Die beiden Damen schauen sich die Eier an: Alles ganz geblieben. Wenn es schmeckt, kommen sie wieder. Was den Geschmack angeht, macht sich Bauer Stefan keine Sorgen.

Im Internet unter bauer-stefan.com.

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