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Potsdam-Mittelmark: In den Fußstapfen der Tochter

Jaromir Schneider will eine Ortschronik für Tremsdorf erarbeiten – mit Hilfe seiner Familie und vieler anderer

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Jaromir Schneider will eine Ortschronik für Tremsdorf erarbeiten – mit Hilfe seiner Familie und vieler anderer Von Volker Eckert Nuthetal - Wann hat es bei Jaromir Schneider angefangen mit dem Interesse an der Geschichte? So genau lässt sich das heute nicht mehr sagen. In Tremsdorf ist die Sache aber durch seine 17-jährige Tochter richtig in Gang gekommen. Denn die hat für den Geschichtsunterricht eine Projektarbeit geschrieben: „Die Entwicklung der Bundesrepublik seit der Wende anhand des Heimatortes“. Den Eltern bereitete das Thema am Ende mehr Spaß als der Tochter. Im familiärer Kooperation wurde viel Interessantes zutage gefördert, zumal es eine Tremsdorfer Ortschronik bislang nicht gibt. Die Feuerwehr hat einiges festgehalten, ein Bürgermeister hat vor Jahrzehnten einmal auf sieben dünnen Seiten zusammengefasst, was er wusste. In dessen Fußstapfen will Jaromir Schneider jetzt zusammen mit seiner Frau Angela treten. Zuerst einmal hat die Gattin die Handschrift des Bürgermeisters in mühevoller Arbeit entziffert und abgeschrieben. In Zukunft will das Paar aber nicht allein zur Tat schreiten. Schneiders Plan: Mit den Leuten im Dorf reden, mit den Alten. Ein paar hat er schon im Sinn. Und ein Kataster erstellen mit allen Häusern, wann sie erbaut wurden. Das Reden mit den Tremsdorfern hat seine Tochter schon vorgemacht, ein Interview mit Urgestein Rita Bochan geführt, das den Vater sehr beeindruckt hat. Darin geht es auch darum, wie nach der Wende die Landwirtschaft abgewickelt wurde, über Nacht die Kühe vom Hof verschwanden und offenbar durch die Treuhand in andere Länder verscherbelt wurden. Mit bebender Stimme erzählte die alte Frau, wie sie abends in den Nachrichten sah, wie französische Bauern aus Protest gegen das Preisdumping die Viehwagen mit ihren Tieren anzündeten. Aber auch vom Zweiten Weltkrieg erzählte Rita Bochan. Davon, dass außerhalb des Dorfs nachts Lampen aufgestellt wurden, um die Flieger abzulenken. Als Jaromir Schneider das hörte, ging ihm ein Licht auf. Manche Baumgruppen, die heute etwas verlassen auf dem Feld stehen, müssen in den früheren Bombentrichtern gewachsen sein. Schneider hat nämlich Melioration studiert – in Sachen Landeskultur und Umweltschutz ist er Experte „Die preußischen Schlösser, das ist für mich nur Pflichtprogramm, wenn mal Besuch da ist.“ Was ihn direkt umgibt, interessiert den 44-Jährigen dagegen weit mehr, die Landschaft, die ja erst in der Eiszeit ihr heutiges Gesicht bekommen hat, „vor gerade mal 10000 Jahren“, und der Ort, in dem er mit der Frau und den drei Kindern seit acht Jahren lebt. „Anfangs habe ich gesagt, ich gehe auch in die Feuerwehr, um Kontakte zu finden“, erinnert sich Schneider. Das war dann aber gar nicht nötig, heute kennt er fast jeden im Ort. Einfach war die Annäherung nicht: Es fehle einfach ein Treffpunkt für die Leute, vor allem für die Alten. „Gehen sie mal am Tag durchs Dorf – da ist ja keiner mehr auf der Straße“, klagt Schneider. Seine Tochter hat herausgefunden, dass es 1990 noch 40 Arbeitsplätze im Ort gegeben hat. Nur wenige Bewohner sind damals aus Tremsdorf raus gependelt. Anders heute: Nur einer der 40 Jobs ist übrig geblieben. Schade findet Schneider auch, dass die Kinder den Alten heute nicht mehr zuhören. „Ich weiß noch, wie meine Oma von früher erzählte.“ Die beiden Töchter interessieren sich nicht so für Tremsdorf, sind an den Nachmittagen meist in Potsdam unterwegs. Schneiders Vater hat ihm früher von der Zeit erzählt, als die LPGs gegründet wurden, wie mancher Hund vom Hof getrieben wurde und Schläge verteilt, um die Bauern zu überzeugen. In Tremsdorf war das offenbar anders, der Zusammenschluss kam früh – was Schneider nicht versteht. Die Bochans hatten mit Abstand den meisten Besitz, waren eine urmärkische Baunernfamilie: „Es wundert mich, dass sie heute sagt, es war vernünftig.“ Aber vielleicht kommt er dem Rätsel noch auf den Grund. Die Tochter bekam am Ende eine Eins für ihre Arbeit. Auch wenn der Direktor anmerkte, dass man den Beitrag der Eltern schon bemerkt habe. In ihrem Fazit hat sie geschrieben, es war interessant, aber weiter damit beschäftigen würde sie sich nicht damit. Das übernehmen nun ihre Eltern.

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