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Von Henry Klix: In Ferch droht der Kahlfraß

Landesforstverwaltung will Eichenprozessionsspinner bekämpfen, doch harte Auflagen des Bundes machen den Biozid-Einsatz sinnlos

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Schwielowsee - Muss das Revier der Fercher Oberförsterei für Waldbesucher teilweise gesperrt werden? Ausschließen kann das Oberförster Holger Hendtke inzwischen nicht mehr. Rund 120 Hektar des Reviers sind massiv von Eichenprozessionsspinnern befallen, die auch für den Menschen gefährlich werden können: Die Brennhaare der Raupe, ihre Larvenhäute und die Gespinstnester enthalten das Nesselgift Thaumetopoein, das bei Hautkontakt zu allergischen Reizungen bis hin zu Fieber, Schwindel, Schocks und Asthmaanfällen führt.

Die Raupen sind gerade geschlüpft, den wertvollen Eichenbeständen droht in diesem Jahr der Kahlfraß. Eine Bekämpfung mit dem Biowirkstoff „Dipel“ hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit letzte Woche allerdings mit so hohen Auflagen verbunden, dass sie keinen Sinn mehr macht, wie Hendtke gegenüber den PNN erklärte. Zu Siedlungen sollen 100 Meter, zu Straßen 50 Meter Abstand gehalten werden. Doch gerade am Fercher Ortsrand, an den Kreisstraßen und den Autobahnrändern bis Michendorf hat sich der Sonne liebende Nachtfalter eingerichtet. „Wenn wir nur an den Rändern der Befallsflächen spritzen, ist das Problem in drei Jahren wieder da“, so Hendtke.

Begründung des Bundesamtes für die Auflagen: Dipel könnte bei Hautkontakt sensible Reaktionen hervorrufen. Im Landesforstkompetenzzentrum in Eberswalde gibt es Kopfschütteln darüber: „Es geht doch neben dem Waldschutz gerade darum, Gesundheitsgefahren für den Menschen zu vermeiden“, argumentiert Waldschutzexpertin Katrin Möller für den Dipel-Einsatz. Sie räumt zwar ein, dass es laut US-Studien beim direkten Kontakt mit dem unverdünnten Biozid Hautrötungen geben könne. „Wir sprühen aber pro Hektar nur 3 Liter Dipel, die in 30 Liter Wasser gelöst sind.“ Bei Einsätzen mit dem Bakterienpräparat in Brandenburg habe es nie Probleme gegeben.

Seit zwei Jahren setzt der Eichenprozessionsspinner dem Waldgebiet zwischen Ferch und Caputh zu, es hat sich inzwischen zur größten Problemzone im Land entwickelt. Landesweit sind derzeit 500 Hektar Wald vom Eichenprozessionsspinner befallen, besonders an der Westflanke des Berliner Rings. Die Raupe des Nachtfalters ernährt sich von Eichenblättern, frisst sie bis zu den Blattrippen.

In Waldgebieten im Bereich des Autobahndreiecks Havelland hat man gute Erfahrungen mit Dipel gemacht, so Möller. Genehmigungen für Insektizide werden aber nur befristet erteilt, die aktuelle für Dipel läuft gerade endgültig aus. Für Waldflächen ist nur noch das umweltgefährliche Pflanzenschutzmittel Dimilin zugelassen, das allerdings auch viele nützliche Insekten abtötet und für den Menschen größere Gefahren mit sich bringt. Deshalb hatte die Forstverwaltung beim Bundesamt für Verbraucherschutz den Ausnahmeantrag gestellt.

Dort wird sogar eingeräumt, dass „praktikable Alternativen zum Einsatz des Mittels Dipel ES kaum bestehen“, so Behördensprecherin Nina Banspach auf Anfrage. Sie betonte indes, dass die Ausnahmegenehmigung ja nicht versagt, sondern nur beauflagt wurde, „damit sichergestellt ist, dass kein Spritznebel in Siedlungsgebiete gelangt“.

Die Gefahr einer „Abdrift“ kann Waldschutzexpertin Möller vom Kompetenzzentrum Forst derweil nicht erkennen. „Es wird doch nur geflogen, wenn es windstill ist.“ Gesprüht werden solle ein Tag lang mit einem Hubschrauber, der nah an den Baumkronen fliege und dank GPS-Steuerung nur die befallenen Flächen spritze. Der Waldbereich wäre für den Tag gesperrt. Gegen den Bescheid des Bundesamts hat Möller Widerspruch eingelegt. Die Zeit drängt: Sinnvoll wäre der Dipel-Einsatz in etwa zwei Wochen, wenn sich das erste Grün an den Eichen zeigt, in dem das Insektizid dann wirken kann.

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