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Potsdam-Mittelmark: „In meinem Busch kann ich machen, was ich will“
Im Prozess gegen den Müllpaten Bernd R. wurden die ersten Zeugen gehört. Von einem blieb nur das Protokoll. Er ist verstorben
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Potsdam-Mittelmark - Der Hinweis war in einem Nebensatz gefallen: „Es gibt viel zu viele Umweltsünder, und die werden immer reicher.“ Das hatte Frank H. aus Görzke Ende November 2007 einem Polizisten anvertraut. Der Schutzmann, der eigentlich eine Anzeige wegen Dieseldiebstahls aufnehmen wollte, bohrte nach. Und so berichtete der 45-jährige H., wie er immer wieder Lkw einer bestimmten Baufirma am Ortsausgang in Richtung Wollin habe warten sehen. „Ich hatte das Gefühl, dass die auf ein Zeichen lauern, um zur Deponie zu fahren und dort ihre Ladung abzukippen“, erklärt der Kiesgrubenbetreiber vier Jahre später dem Gericht. Frank H. ist der erste Zeuge gewesen, der im Prozess gegen den mutmaßlichen Müllpaten von Potsdam-Mittelmark gestern seine Aussage machte.
Den 56-Jährigen Ex-Polizisten und Recycling-Unternehmer Bernd R. und seinen damaligen Mitarbeiter Frank N., der neben ihm auf der Anklagebank sitzt, habe er nie zuvor gesehen, so H. während der Anhörung vor dem Landgericht Potsdam. Dessen Namen habe er aber schon damals gut gekannt, von den Schriftzügen auf den Lkw. „Und ich hatte selbst einen Kunden, der mir erzählte, was auf der Deponie in Schlamau so verkippt wurde“, erinnert sich der Zeuge. Indem er die Polizei damals darauf hinwies, brachte er die Ermittlungen ins Rollen. Nach und nach entdeckte die Staatsanwaltschaft Potsdam weitere illegale Deponien in Altbensdorf, Rogäsen, Zitz, Mörz und Schlunkendorf. An allen sieben Orten sollen Bernd R. und Frank N. zwischen 2005 und 2008 Siedlungs- und Gewerbeabfälle von insgesamt 144 000 Tonnen vergraben haben.
Bernd R. hat bereits in der vergangenen Woche gestanden und die alleinige Verantwortung übernommen (PNN berichteten). Frank N. hat seinen früheren Chef indes stark belastet und sich selbst nur als einen Nebenakteur von vielen im mittelmärkischen Müllskandal dargestellt. Immerhin: Im Fall der Mörzer Deponie hat die Staatsanwaltschaft jetzt angekündigt, das Verfahren gegen ihn unter Auflagen einzustellen. Der 49-jährige N. war zum Tatzeitpunkt als Lkw-Fahrer in anderen Bereichen eingesetzt, wie er selbst erklärt hatte. In den übrigen sechs Fällen wird er jedoch weiterhin der Beihilfe beschuldigt.
Trotz R.’s Geständnisses bleibt der Prozess spannend, auch weil immer wieder neue Zusammenhänge deutlich werden. So kann Staatsanwätlin Kristine Sörström anhand eines Vernehmungsprotokolls nachweisen, dass R. nach dem vorzeitigen Ende seiner Untersuchungshaft im November 2008 offenbar gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen hatte. Denn der damals von der Polizei befragte Zeuge, ein Jagdaufseher, schilderte, wie in einem der vielen Waldgrundstücke des damaligen Unternehmers R. riesige Mengen an Holz geschlagen worden seien. „Der Wald war aber Bestandteil der Kautionsleistung. Sie hatten jegliche wirtschaftliche Verwertung zu unterlassen“, hält ihm die Anklägerin vor. Wie die Ermittlungen ergeben hatten, kaufte R. über 50 Waldgrundstücke aus Erlösen seiner illegalen Müll-Deals. Eingenommen hatte er unterm Strich immerhin 4,3 Millionen Euro, schätzt die Staatsanwaltschaft.
Der Jagdaufseher Karl-Heinz G. hatte die Vorgänge im Borner Kiefernforst immer wieder hinterfragt. Neben dem Kahlschlag kam ihm auch merkwürdig vor, dass die Stämme neu markiert worden seien: Statt des vorhandenen „R“ hätten Forstarbeiter das Kürzel „MA“ aufgesprayt – offenbar um im Verkauf die Herkunft des Holzes zu verschleiern. „Dann stammt das Holz eben von der Milchviehanlage“, soll R. ihm damals gesagt haben.
Karl-Heinz G. ist zwischenzeitlich verstorben. Wie er bei der Polizei zu Protokoll gegeben hatte, habe er sich von R. eingeschüchtert gefühlt. „Er kam im Wald auf mich zu und drohte mir: Wenn ich weiter Lügen verbreite, bin ich meinen Jagdschein los“, zitiert Richter Frank Tiemann aus der Akte. Auch der Satz „In meinem Busch kann ich machen, was ich will“, soll von R. geäußert worden sein.
„Ich hatte gar keinen Grund, ihm zu drohen“, hält R. nun dagegen, „und auf seinen Jagdschein hatte ich auch keinen Einfluss.“ Immerhin: Als Waldbesitzer dürfte R. durchaus eine Stimme in der Jagdgenossenschaft, welche die Reviere verpachtet, gehabt haben. Und wenn man den Worten des Mitangeklagten N. Glauben schenkt, so soll der mutmaßliche Müllpate Charisma besitzen und Menschen manipulieren können. Auf jeden Fall gelingt es ihm, vor Gericht umfassend darzulegen, warum er das Holz schlagen ließ und – ganz im Sinne des Waldumbaus – mit Buchen aufforsten wollte. Dass er die gefällten Stämme nicht hätte verkaufen dürfen, habe er leider nicht gewusst, erklärt Bernd R..
Während der Angeklagte anfangs ruhig und geduldig auf die Fragen der Staatsanwältin geantwortet hat, wird er nun doch allmählich ungeduldig und reagiert auf Nachfragen fast gereizt. Wohl auch, weil sich Sörström für die „Familienverflechtungen“ von R.’s Firmen interessiert, wie sie sagt. Immerhin soll dort ein Teil von den Müll-Millionen investiert worden sein. Und zumindest seine Frau Ingrid – die noch heute als Polizistin arbeitet – soll als spätere Eigentümerin in die Waldgeschäfte verwickelt gewesen sein. Gegen sie wird zurzeit ermittelt, auch gegen R.’s Tochter sowie den früheren Anwalt des Unternehmers.
Denn dass R. Alleinverantwortlicher für einen der größten Müllskandale Brandenburgs der Nachwendezeit sein soll, wie er selbst behauptet, scheint die Staatsanwaltschaft nicht ohne Weiteres glauben zu wollen. Der nächste Verhandlungstermin ist für den 25. Oktober angesetzt – und es werden noch einige folgen.
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