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Lückenhaft. Laut Ingenieurkammer und Verdi fehlen besonders beim Landesstraßenbetrieb Ingenieure. Zwar wird die Landesstraße in den Heilstätten ab März saniert, doch für die benachbarte Bundesstraße 2 wurden die Planungen erst einmal zurückgestellt.

© Andreas Klaer

Potsdam-Mittelmark: Ingenieure dringend gesucht

Am Werderaner Oberstufenzentrum sollen Schüler für technische Berufe begeistert werden. Zu viele von ihnen verlassen das Land

Von Enrico Bellin

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Werder (Havel) - Sie fehlen im Handwerk, in der Industrie und auch in der Verwaltung: Ingenieure. Der Gewerkschaft Verdi zufolge benötigt allein der Landesstraßenbetrieb 100 zusätzliche Bauingenieure, die Ingenieurkammer Brandenburg hat einen Mangel in fast allen Unternehmen landesweit festgestellt. Deshalb organisiert die Kammer unter dem Titel „Ingenieure treffen Schule“ überall in Brandenburg Veranstaltungen an Oberstufenzentren. Schüler der 11. und 12. Klassen sollen so für Ingenieurberufe interessiert werden. Am 7. März macht die Aktion im Werderaner Oberstufenzentrum Station.

Zum vierten Mal sind dort für einen Vormittag versierte Gastredner in die Aula geladen. „Wir haben in den vergangenen Jahren jeweils gut 100 Schüler bei den Veranstaltungen gehabt“, sagt der Werderaner Bauingenieur Steffen Lehmann, der unter anderem für die Antan-Recona-Gruppe viele Mehrgeschosser in den Havelauen geplant hat. Neben Rednern der Technischen Hochschule Brandenburg soll auch ein ehemaliger Schüler des Potsdamer Oberstufenzentrums einen Vortrag über ein Projekt in Werder halten: Denis Bänsch hatte selbst 2015 die Veranstaltung in Werder besucht, anschließend waren er und drei Kommilitonen mit Lehmann für eine Praktikumsarbeit in Kontakt gekommen. Sie haben gemeinsam die Baupläne für das Lindowsche Haus in Werder erstellt – wie berichtet soll das ehemalige Obstbauerngehöft in diesem Jahr zum Besucherzentrum umgebaut werden. „Die Schüler haben das Haus untersucht und alle Berechnungen bis hin zum Bauantrag selbst durchgeführt“, erklärt Lehmann. Für das Projekt gab es die Note 1, inzwischen arbeitet Denis Bänsch als Bautechniker in der Kölner Stadtverwaltung.

Das beschreibt laut Matthias Krebs, Präsident der Ingenieurkammer Brandenburg, ziemlich genau das Problem im Land. „Insgesamt gibt es im Land genug Ingenieurstudenten, die Frage ist aber, wie viele davon später tatsächlich in Brandenburg bleiben“, sagte Krebs den PNN. Besonders im ländlichen Raum fehlten die Ingenieure, obwohl dort teilweise deutlich besser bezahlt werde als im Berliner Umland. Besonders hart treffe es kleinere Unternehmen in Branchen wie dem Heizungsbau, bei denen teilweise die laufende Arbeit wegen Personalmangels ins Stocken gerate.

Teilweise sei das Problem auch hausgemacht: So hat Krebs zufolge etwa der Landesbetrieb Straßenwesen in den vergangenen Jahren frei werdende Stellen schlicht nicht besetzt und heute fehlten so viele Ingenieure, dass Projekte nicht umgesetzt werden könnten, obwohl genügend Geld vorhanden ist. Katja Boll, Verdi-Gewerkschaftssekretärin, schätzt, dass beim Landesstraßenbetrieb allein 100 Ingenieure fehlen. Da in den kommenden Jahren viele Mitarbeiter in den Ruhestand gehen werden, werde sich das Problem eher noch verschärfen. „Es ist nicht erkennbar, dass die Geschäftsführung derzeit mit einer guten und sachgerechten Personalplanung dem drohenden Mangel entgegensteuert“, so Boll.

Die vielen Pensionierungen würden im Infrastrukturministerium jedoch berücksichtigt, sagt dessen Sprecher Steffen Streu. „Da werden wir natürlich noch nachsteuern müssen.“ Allerdings habe das Ministerium auf den aktuellen Mangel schon reagiert, der Landesstraßenbetrieb habe 43 zusätzliche Stellen genehmigt bekommen, 21 davon für Planer. Zudem gebe es 15 neue Stellen für Berufsanfänger, die in den Landesdienst gehen wollen. Wie die Gewerkschaft auf 100 fehlende Stellen komme, kann Streu nicht verstehen. Auch sei es nicht war, dass Straßenbauprojekte wegen fehlender Planer nicht angegangen werden können.

Frank Schmidt, Chefplaner des Landesstraßenbetriebes, sagt zur Personalpolitik gegenüber den PNN nur, dass er hoffe, dass es zeitnah gute Bewerbungen auf die Stellen gebe. „Es gab mal ein Tal beim Verkehrsingenieursstudium, wo es in einem Jahrgang nur 40 Studenten gab“, so Schmidt, der bis vor drei Jahren auch Dozent an der Potsdamer Fachhochschule war und dort noch immer Diplomarbeiten betreut. Inzwischen gebe es jährlich immerhin wieder 70 Studenten. Ein Problem sei jedoch, dass sich viele junge Menschen nach dem Grundstudium auf den Hochbau spezialisierten, da man dort bei privaten Unternehmen ebenfalls umworben und gut bezahlt werde.

Zu einem eventuell vorhandenen Engpass an Planern im Landesbetrieb und dadurch bedingten Bauverzögerungen wollte sich Schmidt nicht äußern. Allerdings habe der Betrieb etwa die Planungen für die Erneuerung der Bundesstraße 2 zwischen Seddin und Beelitz zurückstellen müssen, da man aufgrund des wechselhaften Winters 2015/16 planerisch mit dringenderen Aufgaben beschäftigt gewesen sei.

Laut Ingenieurkammer-Präsident Krebs können die Probleme beim Landesbetrieb nur gelöst werden, in dem nun kontinuierlich über mehrere Jahre neue Ingenieure eingestellt werden. Vorstellbar ist zudem auch, dass Vertreter des Landesbetriebes bei der Aktion „Ingenieure treffen Schule“ gleich für ihren Berufszweig werben. „Die Veranstaltung ist für uns extrem wichtig, schließlich konkurrieren wir mit vielen anderen Zweigen um die jungen Leute, die ebenfalls Werbung für sich machen“, so Krebs.

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