KulTOUR: Jesus’ Gang zum Kreuz Caputher Musiken mit Konzert zur Passionszeit
Schwielowsee - Der Zufall wollte es wohl, dass die erste Veranstaltung der Caputher Musiken in die Passionszeit fällt – und das Berliner Wolf-Ferrari-Ensemble deren sechzehnte Saison mit einem Programm eröffnet, welches das Prädikat „erlesen“ verdient. Das zum 50.
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Schwielowsee - Der Zufall wollte es wohl, dass die erste Veranstaltung der Caputher Musiken in die Passionszeit fällt – und das Berliner Wolf-Ferrari-Ensemble deren sechzehnte Saison mit einem Programm eröffnet, welches das Prädikat „erlesen“ verdient. Das zum 50. Todestag des Deutsch-Italieners Ermanno Wolf-Ferrari (1872-1948) begründete Streicher-Ensemble wartete schon mehrmals in der Potsdamer Erlöserkirche mit geistlich ausgerichteten Konzerten auf, Spezialität: Moderierte, oder durch ausführliche Wortbeiträge eingeleitete Veranstaltungen. „Ecce homo - Sehet, welch ein Mensch“ folgte in Caputh der selben Idee.
Eine halbe Stunde referierte Ensemble-Schöpfer und Violinist Wolfram Thorau über musikalische Strukturen und theologische Zusammenhänge zwischen dem Darzubietenden und der Passion Jesu, bevor er mit Ansgard Srugies (Violine), Yair Lantner (Viola) und dem Cellisten Andreas Heinig dem Publikum die angekündigte Passions-Offerte instrumental und nonstop vortrug. Ein ausgewählter Satz, etwa von Ludolf Nielsen oder Peteris Vasks, entsprach ungefähr einer Station des Kreuzweges, so die Idee. Man wollte also die Leidensgeschichte Christi musikalisch erlebbar machen, indem man sich – verbal und gut theologisch – gewisser Inhalte noch einmal versicherte. Die „absolute Musik“ mag so etwas eigentlich nicht. Gleichzeitig wird das Publikum wie mit Samthandschuhen gedrängt, die ausgewählten Stücke von neun Komponisten aus drei Jahrhunderten mehr oder weniger „wegegleich“ zu rezipieren. Und wenn einer nicht will? Dann hört er nur ein tolles, ein feinsinnig gestimmtes Konzert.
Zu der „Passions- und Meditationsmusik für Streichquartett“ gehörte als Introitus das Largo aus dem Streichquartett Nr. 1 von Wilhelm Kienzl, eine leise Sarabande von Anatoli Ljadow, Robert Schumanns 3. Satz aus seinem Streichquartett op. 41/1, Ludolf Nielsen mit einem Adagio con dolore aus dem Streichquartett Nr. 3 – alles Werke, die Trauer, Schmerz und Sehnsucht auszudrücken scheinen, viel weiter kommen die heutigen Passions-Spezialisten ja nicht. Schostakowitsch’s kraftprotzendes Allegro aus seinem Streichquartett Nr. 8 wollte gar den Einen Toten mit der Masse der russischen Opfer vom Weltkrieg Zwo in einen Proporz bringen. Nicht ganz überzeugend, aber sehr interessant.
Ohne Zweifel hat man es bei diesem Quartett mit so begnadeten wie inspirationsfähigen Musikern zu tun. Für ihre Gefolgschaft bringen sie tatsächlich eine Oster-Passion nach ihrem Bilde herüber, wozu für sie auch Tschaikowskis Andante funebre e doloroso aus dem dritten Streichquartett gehört, russisch-orthodoxes Priester-Kolorit zum theologisch-eklektischen Oster-Brot. Man hörte sogar von einem „Versprechen auf Erlösung“, was alle „Gnadenwahl“ aushebeln muss. Sie ordnen Korngold’s 3. Satz aus dem Streichquartett Nr. 3, op. 34 genauso in die Passion ein, wie Haydns langsame Setzer-Kunst. Brillant dargestellte Musik, vieles von Cello und Viola her aufgebaut und gestützt. Filigran, fast kitschig sentimental bei Schumann, störend, zersägend in den nach jedem Hauptteil gespielten „Vexaxtions“-Reprisen von Eric Satie, inhaltlich das Beste des Abends. Diese bösen, flimmernden Dissonanzen gaben das beste, spürbarste, das glaubhafteste Bild von Jesus am Holz. Gerold Paul
Gerold Paul
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