Potsdam-Mittelmark: Jung, weiblich, auf der Jagd
Mit ihrem Terrier bereitet sich Bettina Engelstädter auf die Jagdprüfung vor – sie ist eine von vielen Frauen, die ihren Braten selber schießen wollen
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Michendorf / Seddiner See - Ein toter Hase hängt mit zusammengebundenen Hinterläufen an der Scheune. Bettina Engelstädter nimmt ihn vom Haken. Ungeduldig hüpft ihr Jack-Russel-Terrier an ihr hoch. Er will trainieren. Die 28-jährige nimmt den Hund an eine lange grüne Leine. In einer Hand den Hund, in der anderen den Hasen. Dann stapft sie in ihren Gummistiefeln über feuchte Wiesen in Richtung Wald. Die ausgebildete Landwirtschaftsgärtnerin ist auf dem Weg, Jägerin zu werden. Auch ihr schwarzweiß gefleckter Terrier muss die Jagdhundprüfung bestehen.
Fast 400 Jägerprüfungen sind in diesem Jahr abgelegt worden. Das seien so viele wie seit 2009 nicht mehr, freut sich Georg Baumann, Geschäftsführer des Landesjagdverbandes. Doch wer lässt sich heutzutage zum Jäger ausbilden? Ältere Herren mit Gamsbart? Gestresste Großstädter oder junge Menschen? Im Durchschnitt sind Jäger in Brandenburg 58 Jahre alt, berichtet Baumann. Und ja, der Verband habe Nachwuchssorgen. Doch langsam ändere sich die Situation.
Ein Blick in einen der Unterrichtsräume beim Verbandssitz in Michendorf zeigt, was der Verbandschef meint: Ein langgezogener Raum steht voller Tische. Die Schüler haben dicke grüne Wälzer vor sich. „Sicher durch die Jagdprüfung“ steht darauf. Susanne Gubela von der Potsdamer Jagdschule leitet in Michendorf den theoretischen Jagdunterricht. Unter den zwanzig Schülern des aktuellen Jahrgangs sind Biologiestudenten, Rentner und Ehepaare mittleren Alters. Der Jüngste in der Gruppe ist 16 Jahre alt, er macht gerade seinen Jugendjagdschein. „Und es kommen immer mehr Frauen dazu“, so Gubela.
Zurück auf Feld und Wiese im Michendorfer Revier. Bettina Engelstädter zeigt mit dem Finger auf den aufgewühlten Boden: „Ganz klar Wildschweine.“ Viele tiefe Krater umgeben die rothaarige Frau. „Die Schweine können gut riechen, bis zu 40 Zentimeter unter der Erde suchen sie noch nach Nahrung“, erklärt die angehende Jägerin. Praxisunterricht bekommt sie von ihrer „Jagdprinzessin“. So nennt sie mit einem Augenzwinkern ihre Mentorin. Jeder Jagdscheinanwärter wird in der einjährigen Ausbildung von einem erfahrenen Jäger in sein Revier mitgenommen. Schießen darf der Schüler in der freien Wildbahn auch auch unter Aufsicht nicht, das gehe nur an den Schießständen auf einem Übungsplatz.
Die Waffe im Anschlag haben Jäger nicht allzu oft: „95 Prozent der Jägerarbeit ist Hege, nur fünf Prozent sind Schießen.“ Mit Hege meint sie Revierpflege. Das heißt Jagdsitze bauen, nach Wildschäden Ausschau halten, geeignete Lichtungen finden, um Tiere dort anzulocken und Mais, Eicheln oder Kastanien als Futterköder auszulegen. Die Revierpflege macht der angehenden Jägerin besonders viel Spaß. „Eigentlich mehr als das Schießen“, gesteht sie. Und zu ihrer Arbeit gehört auch, ihren Terrier Judy zu dressieren. Er muss lernen, Fährten aufzunehmen und sie zu dem erlegten Wild zu führen. Heute wird mit dem Hasen geübt. Der ist in dem Revier ihrer Mentorin angefahren worden. Nach dem kurzen Training kommt das Tier unter die Erde.
„Das Schwierigste ist, dass Judy auf mein Kommando hört und vom Wild ablässt“, erklärt Bettina Engelstädter. Im besten Fall schafft es ein Hund auch, die Beute zu apportieren. Bei ihrer Hündin kann sie sich das aber abschminken: „Ein Terrier mit ausgeprägtem Jagdinstinkt braucht dafür viel Übung.“ Mit der Revierpflege und dem Hundetraining ist die junge Frau fast den ganzen Vormittag beschäftigt. Zur Zeit hat sie Zeit dafür. Zum Jahresende ist in ihrem eigenen Betrieb, einer Neuseddiner Gartenbaufirma, die sie zusammen mit ihrem Freund leitet, wenig zu tun. Sie genießt es, über die nassen Felder zu stapfen.
Die junge Frau mit den hellen Augen und dem wachen Blick ist über ihren Lebenspartner zum Jagen gekommen. Er stammt aus einer Jägerfamilie. Nach und nach haben sie und ihr Freund immer mehr Gefallen am Jägersein gefunden. Man sei viel in der Natur, auch die Waidmannssprache habe ihren Reiz. „Es ist eine der letzten aktiven Berufssprachen“, erklärt die junge Frau. Und außerdem schmecke ihr Wild vorzüglich. Sie hat mit ihrer Mentorin schon Tiere direkt im Wald ausgenommen. Danach wüsste man, was es bedeute, ein Tier zu essen.
So oft sie kann, ist Bettina Engelstädter im Revier. Besonders gerne wird an Vollmondnächten gejagt. Angst, nachts allein im Wald zu sein, hat die junge Frau nicht. Wenn man überhaupt alleine unterwegs sei, dann vereinbare man Zeiten, in denen eine SMS abgesendet werde. Telefonieren sei zu gefährlich – als Jäger auf der Lauer sollte man nicht laut und am besten fast regungslos sein. Außerdem ist die junge Frau fast nie alleine. Den Hochsitz teilt sie sich bisher noch mit ihrer Mentorin. Dort sitzen sie dann nachts bis zu fünf Stunden. Geschossen wird nicht immer: „Auf zehn bis 20 Abende kommt ein Stück Wild.“ Wenn nichts los sei, dann unterhalten sich die Frauen im Flüsterton über Gott und die Welt, sagt die rothaarige Frau mit einem Lächeln. Und naschen dabei Gummibärchen.
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