Potsdam-Mittelmark: Kein Platz für weitere Flüchtlinge
Der Kreis muss künftig mehr Asylbewerber aufnehmen. Doch noch weiß niemand, wo sie wohnen sollen
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Potsdam-Mittelmark - Die Zahl der asylsuchenden Menschen im Landkreis Potsdam-Mittelmark steigt rasant. Die weltweit zahlreichen Krisenherde in Syrien, Irak und weiteren Nachbarstaaten lässt die Zahl der Flüchtlinge in die Höhe schnellen. Ging die Kreisverwaltung noch im Januar davon aus, in diesem Jahr 263 neue Flüchtlinge aufnehmen zu müssen, liegt die Zahl bereits bei 345. Doch auch die Annahme scheint überholt.
„Nach derzeitigem Stand werden unsere Unterkünfte für die Flüchtlinge bei weitem nicht mehr ausreichen“, sagte Fachbereichsleiter Thomas Schulz am gestrigen Montag gegenüber den PNN. Selbst mit den vom Kreis bereits 150 eingeplanten zusätzlichen Plätzen für Flüchtlinge in Stahnsdorf könnten noch längst nicht alle hilfesuchenden Menschen untergebracht werden.
Wie berichtet geht auch das Innenministerium in Potsdam momentan davon aus, dass in Brandenburg in diesem Jahr 6000 Asylbewerber untergebracht werden müssen – doppelt so viele wie im Vorjahr. In knapp zwei Wochen soll es deshalb am 7. Juli ein Krisentreffen aller Landräte mit Vertretern des Landes geben, kündigte Schulz an. Dort wird der Kreis erfahren, wie viele Flüchtlinge genau aufgenommen werden sollen.
Bereits seit zwei Jahren muss die Kreisverwaltung auf ständig steigende Flüchtlingszahlen reagieren. „Mittlerweile ist es kaum noch möglich, geeignete Heime oder leer stehende Rohbauten für die Unterbringung zu finden“, so Schulz. Auch die Betreuung der Flüchtlinge wird immer teurer: Bei der Anstellung von Sozialarbeitern und anderem Betreuungspersonal sei die Kapazitätsgrenze erreicht. Schulz hofft, dass beim Treffen neue Vorschläge zum Umgang mit dem Flüchtlingsstrom gemacht werden.
Eine wirkliche Lösung des Problems könne es dem Fachdienstleiter zufolge nur auf Europäischer Ebene geben. „Wir brauchen neue Organisationsformen, die uns langfristige Planungssicherheit geben.“ Am liebsten wäre ihm, jetzt schon zu wissen, wie viele Asylsuchende Potsdam-Mittelmark in zwei Jahren aufnehmen muss. „Dann könnten wir wirklich mal einen großen Plan für Wohnungen ausarbeiten.“
Derzeit wisse niemand im Landratsamt, wo die erwarteten Flüchtlinge unterkommen sollen. „Die Kommunen bieten uns jetzt schon die letzten freien Wohnungen an, die sie zur Verfügung haben.“ Nach der Sommerpause werde er noch einmal einen Aufruf an alle Bürgermeister starten, mögliche Unterkünfte zu nennen. Große Hoffnungen habe er wegen der ohnehin angespannten Wohnungslage aber nicht. Schwierig zudem: Für die Flüchtlingsheime müssen Standards eingehalten werden. So sollten sie in der Nähe von Schulen und Kitas liegen.
Sollte der Landkreis nicht genügend freie Plätze finden, könnte das Land Brandenburg die Flüchtlinge in Hotels unterbringen und die Kosten dafür vom Landratsamt zurückfordern. Weil dabei Kosten „ganz anderer Dimension“ anfallen würden, will der Kreis das verhindern.
Immerhin bleibt noch etwas Zeit: Mit den nächsten Flüchtlingen aus dem Erstaufnahmelager in Eisenhüttenstadt rechnet Schulz erst zum Ende des Jahres. Von dort werden die Menschen systematisch in größeren Gruppen auf die Landkreise verteilt.
Indes stellen Kreis und Kommunen nicht nur die Suche nach geeigneten Wohnungen vor große Herausforderungen: Auch der Umgang mit den Flüchtlingen und ihren Kindern fordert alle Beteiligten heraus. Für Kindertagesstätten in der Nähe der Wohnheime hat der Jugendhilfeausschuss des Kreises jüngst eine Entlastung beschlossen: Sie bekommen ab Januar mehr Stellen zugesprochen. „Wenn eine Kita sechs Flüchtlingskinder aufnimmt, bekommt sie beispielsweise eine halbe Personalstelle zusätzlich“, sagt Stefan Kowalczyk, der beim Kreis für die Kindertagesbetreuung zuständig ist.
Dabei handele es sich um eine freiwillige Ausgabe des Kreises. Der geht in seiner Planung von etwa 30 zu betreuenden Flüchtlingskindern pro Jahr aus. Die Kosten dafür lägen bei rund 86 000 Euro. Ohne den Zuschuss des Kreises müssten die Kommunen das Geld aufbringen. Die Kinderbetreuung ist laut Kowalczyk eine große Herausforderung. „Neben dem Sprachproblem kommt verschärfend hinzu, dass die Kinder ganz anders sozialisiert wurden.“ Im arabischen Raum kenne man so etwas wie Kindergärten kaum, der Nachwuchs werde im Familienverbund großgezogen. In Deutschland haben die Flüchtlingskinder jedoch wie alle anderen Kinder auch einen Anspruch auf täglich sechs Stunden Betreuung. Neben den zusätzlichen Stellen finanziert der Landkreis für die Tagesstätten auch den Einsatz von Dolmetschern.
Für die Schulen der Region fehlt jedoch Unterstützung, wie Thomas Schulz beklagt. „Das ist Landessache, das können wir nicht auch noch finanzieren.“ Dabei sei der Bedarf an den Schulen groß, da im Gegensatz zur Kita alle Flüchtlingskinder verpflichtet sind, in den Unterricht zu gehen. Selbst dann, wenn sie keine Sprachkenntnisse haben.
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