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Bernd Sontag ist eigentlich Dozent für Betriebswirtschaftslehre und kalkuliert den Backprozess so durch, dass eine Person bis zu 400 Kekspackungen am Tag füllen kann.

© Johanna Bergmann

„Kekskonnektion“ aus Kleinmachnow ausgezeichnet: Kekse gegen den Verzicht

Ein Maschinenbauer und ein BWL-Dozent backen Kekse, die auch Allergiker und Diabetiker essen können. Für ihre Idee wurden die beiden nun ausgezeichnet.

Von Eva Schmid

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Kleinmachnow - Es war der traurige Blick der Tochter, der Bernd Sontag zum Keksproduzenten machte. Die Basketballmannschaft seiner zwölfjährigen Tochter wurde nach einem erfolgreichen Spiel von der Trainerin auf ein Eis eingeladen. Die jungen Mädchen schleckten lachend ihr Eis, Sontags Tochter hatte keines in der Hand. Zu viel Zucker im Blut. Diabetes.

Die Idee, leckere Süßigkeiten für Menschen mit Diabetes, Allergien oder Lebensmittelunverträglichkeiten herzustellen, war geboren. Der Kleinmachnower Familienvater Sontag holte einen guten Freund ins Boot. Wolfgang Schwarz war zu Studienzeiten für ein Jahr in Italien, „dort lernte er, Eis herzustellen und Cantuccini zu backen“. Seitdem hat Schwarz die Leidenschaft für Eis und das klassische Mandelgebäck der Italiener gepackt.

Brandenburgs wohl ungewöhnlichstes Bäckerduo

Heute sind die beiden Freunde Brandenburgs wohl ungewöhnlichstes Bäckerduo: Der 51-jährige Sontag ist Dozent der Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensberater, sein 49 Jahre alter Partner arbeitet bei einem großen Automobilhersteller. Dort optimiert der gelernte Maschinenbauer Produktionsprozesse. Ihre Art und Weise zu backen, ist dementsprechend verkopft. Gebacken wird bisher nach Feierabend und am Wochenende – beide Gründer wollen vorerst ihre alten Jobs behalten.

„Ein Bäckermeister, den wir einst um Rat gefragt haben, hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als wir ihm erklärten, wie wir das machen“, so Sontag. Exceltabellen, Prozessschaubilder und Risikobetrachtungen hängen in der Backstube. Es geht äußerst akribisch zu, dem Zufall wird keine Chance gelassen. Bis ins kleinste Detail ist der Backprozess beschrieben. Selbst die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler auftreten können, ist berechnet worden. Das klingt absurd, ist aber effizient und sicher: „So schaffen wir es, dass eine Person am Tag Kekse für 400 Schachteln backt“, sagt Sontag. Die Keksbäcker können so auch bei wachsender Produktion weiterhin handgemachtes Backwerk bieten.

Kein Unterschied zu normalen Keksen

Wer Adis Abeba, Piemont oder Massachusetts, wie einige Keksvariationen heißen, kostet, wird erstaunt sein: Fade, wie man sich Kekse für Zuckerkranke oder Allergiker vorstellt, schmecken sie keineswegs. Wüsste man nicht, dass sie weniger Eiweiß, Kohlenhydrate oder Fruktose haben, würde man den Unterschied zu normalen Keksen gar nicht merken. Demnächst könnten die Schachteln in Bio-Supermärkten stehen, derzeit verhandele man noch, so Sontag. Die Kekse in den bunten Quadratschachteln werden nicht gerade günstig sein, sieben Euro kosten rund 200 Gramm. Damit liege man im Preissegment der Mitbewerber, die für Allergiker und Zuckerkranke Lebensmittel anbieten.

Mittlerweile hat die „Kekskonnektion“, wie die Firma sich nennt, 25 Sorten zu bieten, jede Woche kommen neue hinzu. Zwei kleine Backstuben hat das Bäckerduo in Leipzig eingerichtet. In der sächsischen Stadt lebt und arbeitet Geschäftspartner Wolfgang Schwarz. Perspektivisch soll die Produktion nach Brandenburg verlegt werden.

Bevor das große Backen im November losging, haben die Keksproduzenten mit Ärzten, vor allem Allergologen, gesprochen. „Wir mussten ja wissen, wie die Zutaten wirken und worauf wir achten müssen“, erzählt der Kleinmachnower Gründer. Man merkt, dass er sich mittlerweile gut auskennt. Demnächst wolle man die Wurzel Topinambur einsetzen, sie besitze zwar viele Kohlenhydrate, „die werden vom Körper aber nicht in Zucker verstoffwechselt“, sagt Sontag. Ideal also für Diabetes-Patienten.

Gemeinsames Projekt mit Institut für Ernährungsforschung in Bergholz-Rehbrücke 

Nicht nur im Tüfteln und Ausprobieren sind die Keksproduzenten gut, sie verstehen auch was von Marketing. Bisher seien sie die einzigen Keksanbieter auf dem deutschen Markt, die handgemachte Kekse für Menschen mit den unterschiedlichsten Unverträglichkeiten bis hin zu Kreuzallergien bieten. Die innovative Idee des Start-ups hat damit am vergangenen Donnerstagabend den ersten Preis im Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg gemacht. Das Preisgeld in Höhe von 3000 Euro wolle man nutzen, um zum Beispiel mit dem Institut für Ernährungsforschung in Bergholz-Rehbrücke ein gemeinsames Projekt anzustoßen.

Sontag hat vor der Gründung seines Keksbusiness den Markt sondiert. Vor allem Frauen seien die große Zielgruppe. Sie würden besser über Lebensmittelunverträglichkeiten Bescheid wissen und ihr Einkaufsverhalten dementsprechend ausrichten. „Zwischen 20 und 40 Prozent der Deutschen haben eine Lebensmittelunverträglichkeit“, sagt Sontag und bezieht sich auf mehrere Studien. Jeder dreizehnte Deutsche sei zuckerkrank.

Allergiker nicht ausgrenzen

„Uns ist es wichtig, die Leute wieder zusammenzubringen“, sagt der Unternehmer. Es solle keiner aufgrund von Unverträglichkeiten oder Allergien ausgegrenzt werden, gerade für Kinder und Jugendliche sei es schwierig, zu verzichten, wenn andere genüsslich Süßigkeiten verputzen. Damit die Kekse auch Menschen schmecken, die normalerweise nicht auf Ei, Weizen oder Nüsse verzichten müssen, sei das oberste Gebot der gute Geschmack. Genießen kann mittlerweile auch Sonntags zuckerkranke Tochter wieder: Sie freut sich über die unzähligen Keksvariationen, die ihr Vater und sein Geschäftspartner ihr als Testesserin auftischen.

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