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Die Kleingartenanlage „Carl von Ossietzky“. Vielen der Gärten hier droht der Abriss. Dass danach gleich der Wunsch der Eigentümer nach Bauland umgesetzt wird, ist allerdings auch nicht zu erwarten.

© Andreas Klaer

Großer Streit um kleine Gärten in Teltow: Kleingärten vor dem Abriss

Teltower Kolonisten unterliegen im Rechtsstreit um die Kleingartenanlage „Carl von Ossietzky“

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Teltow - Olaf Hoffmann lehnt am Kotflügel seines Autos und blickt gedankenverloren auf den vor ihm liegenden Weg, der eine Schneise durch die Gärten schlägt. Dann hebt er den Kopf und erklärt klar und fest: „Die Sache ist gegessen. Der Garten ist weg, Geld zerstört die Idylle.“

Mehrere Jahre haben er und weitere 30 Hobbygärtner um ihr Kleinod im Teltower Villen-Viertel Seehof gekämpft, jetzt scheint es verloren. Voraussichtlich bis zum Ende des Jahres werden sie ihre Parzellen in der Kleingartenanlage „Carl von Ossietzky“ verlassen müssen, dann wird zumindest ein Teil der Anlage der Vergangenheit angehören, glauben die Kleingärtner.

Eine Erbengemeinschaft will die rund 23 000 Quadratmeter große Fläche an der Lenaustraße in Bauland verwandeln. Weil die rund 30 betroffenen Kleingärtner der Kolonie bislang nicht freiwillig das Feld räumten, sehen sie sich nun Räumungsklagen gegenüber. In Teilen haben die Erben ihre Interessen bereits vor dem Potsdamer Landgericht durchgesetzt. Nachdem einige Kleingärtner bereits mündlich erfuhren, dass sie in Kürze ihr Hab und Gut aus den Lauben holen müssen, werden die Urteile nun auch schriftlich erwartet. Erben-Anwalt Geralf Prüfer, der die Flächeneigentümer gerichtlich vertritt, wollte die Entscheidung zunächst nicht kommentieren.

Insgesamt hätten es die Kleingärtner an der Lenau- und Osdorfer Straße aber mit vier verschiedenen Eigentümern zu tun, die unterschiedlich verfahren, sagt der Vorsitzende der Kleingartenanlage „Carl von Ossietzky“, Andreas Wind. Er rechnet damit, dass es zumindest für einen Teil der Gärten noch individuelle Lösungen gibt.

Wo heute Blumen und Beete sprießen, war früher reines Ackerland. Vor der Wende wurde es von der LPG Saarmund genutzt. Im Wendejahr 1989 gründete sich, benannt nach dem gleichnamigen Teltower Bauelemente- und Halbleiterwerk, der Kleingartenverein „Carl von Ossietzky“. Die Mitglieder der ersten Stunde machten das Land urbar, beseitigten Schutt und Müll. „Wir haben geschippt und alles hergerichtet, für Wasser und Strom“, erinnert sich ein Kleingärtner, der aus Sorge vor Repressalien nicht namentlich genannt werden will. Auch er winkt ab, Hoffnung hegt er keine mehr. „Der Eigentümer will uns runter haben, damit müssen wir uns abfinden“, sagt er.

Im Rahmen der Restitution waren die Flurstücke nach der Wende ihren rechtmäßigen Besitzern zugesprochen und rückübertragen worden. Da die damalige Erschließung der Kleingartenanlage ohne Zustimmung der Eigentümer stattgefunden hatte, sei sie nicht rechtskonform erfolgt, argumentieren diese heute. Auch der Kreisverband der Garten- und Siedlerfreunde, dem sich der Kleingartenverein 1990 angeschlossen hatte und der später die Parzellen verpachtete, hätte diese Rolle nicht übernehmen dürfen. Ihm könnte nun seitens der Kleingärtner eine Klagewelle drohen.

„Der Verband hätte mit uns keinen Vertrag mehr schließen dürfen“, sagen etwa Olaf Hoffmann und seine Frau. Das Paar aus dem Berliner Süden hat den Garten erst vor fünf Jahren gepachtet. Weil die Erben rückwirkend mit Klageeinreichung im Jahr 2014 auch eine Pachterhöhung von 19 auf 90 Cent pro Quadratmeter erwirkten, drohen den Hobbygärtnern nun Nachzahlungen von einigen Hundert Euro für ihre im Durchschnitt 360 Quadratmeter großen Parzellen.

Anfangs setzten sich auch Hoffmanns noch gegen die Räumungsklage und das Vorgehen der Erbengemeinschaft zur Wehr. Als dann zu Beginn dieses Jahres aber eine Firma anrückte, und auf einem Grünstreifen vor der Anlage Bäume fällte und auch ein Eingangstor niederriss, verloren viele ihre Kraft. „Das war ein Bruch“, erinnert sich Manuela Hoffmann. Während einige bereits ihre Sachen packen und nach Alternativen suchen, knüpfen andere noch vage Hoffnungen an die Stadt. Noch vor einigen Monaten hatte eine junge Familie eine Online-Petition gestartet und sammelt Unterschriften für den Erhalt der Grünanlage, mehr als 200 sind es schon.

Die Stadt Teltow hatte bereits vor zwei Jahren im Rahmen einer Stellungnahme zum Zweiten Entwurf des Regionalplans Havelland-Fläming beschlossen, Kleingärten nicht in Bauland umwandeln zu wollen. Angesichts der aktuellen Entwicklungen fassten die Stadtverordneten im April dieses Jahres einen weitergehenden Beschluss. Die Verwaltung wurde beauftragt zu prüfen, in welcher Weise die Kleingartensiedlungen gesichert werden können. Auch ein Kataster, das alle noch vorhandenen Anlagen in der Region erfasst, sollte erstellt werden. Inzwischen lägen die Ergebnisse des Prüfauftrages vor, sollen aber zunächst den Stadtverordneten in der nächsten Sitzung erläutert werden, erklärte Stadtsprecherin Andrea Neumann den PNN. Daraus würden sich mögliche weitere Schritte ergeben.

Die Hobbygärtner in der Lenaustraße bezweifeln indes, dass die Stadt den Abriss-Bagger noch aufhalten kann. Sie sind überzeugt: Unabhängig davon, ob der Eigentümer seine Baupläne schlussendlich umsetzen kann, werde aus dem Gartenbiotop am Rande Teltows, in dem inzwischen viele Vögel, aber auch Füchse und Wildschweine heimisch geworden seien, zunächst erst mal eine Brache. Denn dass gleich die Wünsche der Eigentümer nach Bauland umgesetzt werden, ist angesichts der politischen Stimmungslage kaum zu erwarten.

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