Potsdam-Mittelmark: Kochstunde mit Nebenwirkung
Seit anderthalb Jahren besuchen fünf Werderaner Oberschüler das Seniorenheim „Wachtelwinkel“
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Werder – „Junge, nimm dit Messer runter!“, ermahnt die Rentnerin Erika Küster den 13-jährigen Dennis. Der Achtklässler sitzt am Tisch im Foyer des Seniorenwohnheims „Wachtelwinkel“, schält Gurken und wird von allen Seiten mit guten Ratschlägen bedacht. „Im Sitzen kann man solche Arbeit nicht machen“, belehrt ihn Gerhard Werk lachend. „Wollt Ihr wieder backen?“, erkundigt sich der 70-Jährige dann. Denn Dennis ist nicht allein: Seit anderthalb Jahren schon besuchen fünf Werderaner Oberschüler jeden Donnerstag das Plattenbau-Wohnheim im Hamburger Ring. Das Projekt „Gemeinsam nicht einsam“ unter Leitung der Lehrerin Ingeburg Lockowandt existiert sogar schon seit sechs Jahren. Und heute stehen Bouletten mit Salat auf dem gemeinsamen Kochplan.
Auf die zweistündigen Besuche bereiten sich die Schüler vor. So stellen sie am Jahresanfang einen Plan auf, in dem sie festlegen, was genau sie mit den Senioren unternehmen wollen. Gymnastik haben sie zum Beispiel schon angeboten, Ballspiele oder Gedächtnistraining. „Dann fragen wir die Omis ab“, erklärt die 14-jährige Lucienne. „Das gefällt ihnen gut, auch wenn es anstrengend ist.“ Auch gemeinsames Kochen und Backen zählen zu den Donnerstagsaktivitäten.
„Wenn wir ankommen, ist es meistens sehr ruhig“, beschreibt Lucienne die Atmosphäre im Speisesaal des Wohnheims. Wenn die Senioren dort am Nachmittag Kaffee trinken, setzen sich die Schüler einfach zu ihnen an die Tische. Sich mit den Senioren zu unterhalten, das sei schon „ein schönes Gefühl“, erzählt Lucienne.
„Die machen Stimmung hier“, schwärmt Paul Rechholz. Der 75-Jährige sitzt im Rollstuhl und wohnt seit fünf Jahren im „Wachtelwinkel“. Die Nachmittage mit den Jugendlichen sind für ihn eine Abwechslung: „Es ist mal was anderes.“ Das findet auch Gerhard Werk: „Sie sind nicht bloß hier für einen Scherz, sondern allgemein gut.“ Für den Rentner, der 27 Jahre lang Obst und Gemüse mit dem LKW gefahren hat, sind die Schüler „wie unsere Kinder“. Auch Uwe Preiß, der das Seniorenheim erst seit kurzem leitet, freut sich über das selbstlose Engagement: „Ich finde das total klasse.“
Aber nicht immer verlaufen die generationsübergreifenden Treffen vergnüglich. Denn wie verhält man sich, wenn eine Oma an Demenz leidet und einen für das eigene Enkelkind hält? „Nicht lügen“, sagt Lucienne. Von einer Sozialarbeiterin des Wohnheims wurde sie im Umgang mit Dementen geschult. Darum werde sie nicht mehr ungeduldig, wenn eine Oma mehrmals dieselbe Frage stellt, sondern antworte immer wieder gleich. Besonders hart sind natürlich die Todesfälle, die immer wieder vorkommen. „Gerade wenn die Paten-Omas sterben, ist es schon ziemlich krass“, beschreibt die 15-jährige Mareike ihre Gefühle. „Ich musste mir schon oft die Tränen verdrücken“, gibt auch Lucienne zu.
Trotzdem will sie später im sozialen Bereich arbeiten. „Sozialpädagogin, Streetworking, Altenpflege – ich muss mal schauen“, sagt sie. Ob Dennis sein Engagement beruflich weiterverfolgen wird, weiß er dagegen noch nicht. Manche seiner Klassenkameraden fänden das Projekt im Altersheim „uncool“, gibt er zu bedenken.
Umso positiver fällt die Einschätzung von Iris Gerloff, der Schulleiterin der Oberschule Werder, aus: „Unsere Schüler haben hervorragende soziale Kompetenzen“, ist sie sich sicher. Die engagierten Jugendlichen zeigten bereits ein gesteigertes Selbstwertgefühl und auch bessere Schulleistungen. Für die Schule sei das „eine Bereicherung“. Jana Haase
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