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Würden sich trauen. Pfarrerin Ellen Radtke (o.) und ihre Frau Stefanie würden in Golzow gern kirchlich heiraten und nicht nur eingetragene Lebenspartner sein.

© Nestor Bachmann / dpa

Landeskirche Berlin und Brandenburg über Home-Ehe: Kommt die evangelische Trauung für Homosexuelle?

Sich vor dem Altar die Trauringe anzustecken – das ist für viele eine schöne Vorstellung. Auch für Pfarrerin Ellen Radtke und ihre Frau, die in Potsdam-Mittelmark leben. Können die beiden bald auch in einer evangelischen Kirche heiraten?

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Berlin/Golzow – Als Ellen Radtke nach einem Unfall plötzlich im Krankenhaus lag, war beiden klar: Jetzt muss etwas Offizielles her. Sobald es möglich war, gingen sie zum Standesamt. Der Beamte fragte, wann es so weit sein soll. Sie antworteten: am besten sofort. So erzählt es die 31-Jährige heute und berührt dabei leicht die Schulter ihrer Frau Stefanie. Manchmal schauen die beiden einander so an, dass man ahnt: Für Ellen und Stefanie Radtke ist es die große Liebe.

Beide haben lange in Berlin gewohnt. Dort ist es alltäglich, wenn sich zwei Männer küssen oder Frauen zusammen Kinder erziehen. Dann zogen sie nach Brandenburg, aufs Dorf. Der Ort Golzow liegt zwischen Kloster Lehnin und Bad Belzig, etwa 40 Autominuten westlich von Potsdam. Im alten Pfarrhaus liegen noch Schulhefte aus der ehemaligen Dorfschule nebenan, der Holzboden quietscht. Sonnenlicht flutet den Gemeinderaum.

Nicht Schwestern, sondern ein Paar

Auf dem Klingelschild des Pfarramts Golzow-Planeburg steht ihr gemeinsamer Name. Nein, nicht Schwestern, mussten sie am Anfang manchmal erklären. Ein Paar. Beide haben sich beruflich für die evangelische Kirche entschieden. Die eine ist Pfarrerin, die andere Vikarin, also in der Ausbildung. Was beide aber bislang nicht können: kirchlich ganz genau so heiraten wie heterosexuelle Paare.

Das könnte sich nun ändern. Die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz tagt am morgigen Freitag und am Samstag zu diesem Thema.

Debatten in den Kirchen, ob schwule und lesbische Paare heiraten dürfen

Bisher sieht die Kirche für schwule und lesbische Paare, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, eine mögliche Segnung vor. Keinen Traugottesdienst, der mit einer Eheschließung zwischen Mann und Frau verwechselt werden könnte. Mit der Segnung habe man etwas schaffen wollen, das immer noch weit genug weg gewesen sei von der heterosexuellen Trauung, sagt Ellen Radtke. „So haben wir es zumindest immer empfunden.“ Rein theologisch sei der Segen das Zentrale, aber es gebe äußere Unterschiede: keine Eintragung ins Kirchenbuch, kein Ringwechsel. Diese Unterschiede könnten nun aufgehoben werden.

In den deutschen Kirchen gibt es noch heftige Debatten, ob schwule und lesbische Paare heiraten dürfen. Die Landeskirche in Berlin und Brandenburg wäre die dritte evangelische Landeskirche, die sich dafür entscheidet, nach Hessen und dem Rheinland. In der katholischen Kirche dagegen ist das noch undenkbar. Aber auch in den evangelischen Gemeinden ist nicht jeder einverstanden.

Gleichgeschlechtliche Trauung auch Thema auf der Landessynode

Wenn die Landessynode – das oberste Leitungsgremium – nun Ende der Woche in Berlin tagt, wird auch über einen Antrag von Kritikern beraten. Sie lehnen die gleichgeschlechtliche Trauung ab. Und wenn das nicht geht, so steht es im Antrag, sollen zumindest Gemeindekirchenrat und Pfarrer solche Trauungen ablehnen können.

Manche haben theologische Bedenken und argumentieren mit der Bibel. „Es gibt bei uns natürlich unterschiedliche Arten, die Bibel auszulegen“, sagt Bischof Markus Dröge. Es gebe Bibelstellen, die Homosexualität kritisch sehen.

„Ich bin überzeugt, dass wir unsere Auslegung in einen historischen Kontext einordnen müssen.“ Früher sei es um die Frage der sexuellen Ausbeutung gegangen, Stichwort Tempelprostitution oder Lustknabe. Das könne man nicht vergleichen mit der gleichwertigen Partnerschaft, die heute gelebt werde.

Beziehung in der Kirche noch nicht gleichgestellt

„In der Bibel steht auch, es sei unnatürlich, dass Frauen kurze Haare tragen“, sagt Dröge. Da sehe man, dass man manches in einen zeitlichen Kontext setzen müsse. „Wir müssen aber natürlich respektieren, dass wir eine Kirche mit unterschiedlichen Frömmigkeitsstilen sind.“ Deswegen wollten sie auch begründete Ausnahmen zulassen. Er ist dafür, Pfarrern und Gemeinden notfalls die Möglichkeit dafür zu geben.

Für Ellen und Stefanie Radtke bedeuten solche Ausnahmen, dass ihre Beziehung in der Kirche immer noch nicht gleichgestellt wird. Sie sagen, sie könnten damit leben, dass jeder Pfarrer nach seinem Gewissen entscheiden soll. Aber solange es einem Gemeindekirchenrat möglich wäre, die Kirche für homosexuelle Traugottesdienste zu sperren, wollten sie nicht vor den Altar treten.

Eine Seite im Album ist noch frei

Die beiden haben sich nach dem Unfall vor mehr als drei Jahren schnell entschieden, eine Lebenspartnerschaft einzugehen. Niemand habe davon gewusst.

Manche seien sauer gewesen, dass sie still und heimlich ihre Beziehung besiegelt hätten, ohne große Feier. Die beiden holen ein Fotobuch heraus, man sieht zwei Selfies, die sie nach dem Standesamt geknipst haben. Und die ausgedruckten Glückwunsch-Kommentare von Facebook. Die letzte Seite im Album ist noch frei. (dpa)

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Wenn die evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg bei ihrer Synode als dritter deutscher Landesverband entscheidet, künftig auch homosexuelle Paare kirchlich zu trauen, ist das ein großer Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung schwuler und lesbischer Paare. Ein Kommentar >>

Julia Kilian

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