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Mit einem Klick. Von Teltow aus betreut Nextira One die Kommunikationstechnik ihrer Kunden.

© Tobias Reichelt

Unternehmenskrise: Komplettumbau bei Nextira One

Kein Gewinn, keine Rücklagen, bröckelnde Altmärkte: Dem IT-Dienstleister der Kanzlerin und der Landesregierung droht die Zahlungsunfähigkeit

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Teltow - Der deutschlandweit aktive IT-Dienstleiter Nextira One Deutschland mit Sitz in Teltow ist in finanzielle Schwierigkeiten geraten, strebt jedoch nach eigenen Angaben eine Sanierung in Eigenregie an. Einem entsprechenden Antrag beim Amtsgericht Potsdam sei am heutigen Montag stattgegeben worden, teilte das Unternehmen mit. Man habe nun drei Monate Zeit, einen Sanierungsplan vorzulegen, sagte Geschäftsführer Bernd Ruppert in Teltow. Ausdrücklich betonte er, dass das Unternehmen nicht zahlungsunfähig und damit nicht insolvent sei. Die Mitarbeiter erhalten während des Schutzschirmverfahrens (siehe Kasten) Insolvenzgeld.

Nextira hat bundesweit 800 Mitarbeiter, 300 davon in der Deutschlandzentrale in Teltow. Das Unternehmen müsse grundsätzlich umstrukturiert werden. Ziel sei der Erhalt des Unternehmens. Ein Verkauf oder die Zerschlagung stünden nicht zur Disposition. Ob und wie viele Arbeitsplätze abgebaut werden müssen, sei noch unklar. „Wir stehen am Anfang des Verfahrens“, sagte Ruppert. Die Arbeitnehmervertreter seien am Montagnachmittag unmittelbar nach dem Gang zum Amtsgericht informiert worden.

Das Unternehmen – vor zehn Jahren aus dem französischen Alcatel-Konzern ausgegründet – habe nie schwarze Zahlen geschrieben und sei nur ungenügend auf die neuen Herausforderungen in der Kommunikationssparte vorbereitet, sagte Ruppert weiter. Nextira One, das unter anderem Telefonnetze- und Zentralen und andere Kommunikations- und Netzwerkdienstleitungen anbietet, habe in den vergangenen drei Jahren jeweils zehn Millionen Euro Verlust gemacht – bei einem Umsatz von 180 Millionen Euro im Jahr. Bislang seien die Verluste stets über die Europazentrale der aus 16 nationalen Tochtergesellschaften bestehenden Holding in Paris ausgeglichen worden. Doch angesichts der Lage etwa in den südeuropäischen Staaten und er dort wegbrechenden öffentlichen Aufträge, sei die Muttergesellschaft nicht mehr bereit, die Verluste in Deutschland auszugleichen. „Ohne den Gang zum Amtsgericht und die Sanierung im sogenannten, erst seit Monatsanfang möglichen Schutzschirmverfahren hätten wir in zwei bis drei Monaten Insolvenz beantragen müssen – dann wäre es vielleicht zu spät gewesen“, so Ruppert weiter. Bei Nextira sei die Zahlungsfähigkeit bedroht und noch nicht eingetreten, betonte die Unternehmensleitung.

Zu den Kunden, die von Nextira One mit Kommunikationsanlagen ausgestattet wurden, gehören das Bundeskanzleramt, die Berliner Feuerwehr, die Landesregierung Brandenburg, das Bergmann-Klinikum Potsdam und das Uniklinikum Hamburg-Eppendorf. Zudem gehören laut Unternehmen Firmen und Organisationen aus der Sicherheitsbranche, Verwaltungen und mittelständische Firmen dazu. Die Kundenbetreuung sei nicht gefährdet.

Das Unternehmen, das mehrfach die Eigentümer wechselte und heute mehrheitlich einer Fondsgesellschaft gehört, habe keine Rücklagen und zudem nie über genügend liquide Mittel verfügt, um sich auf Zukunftsmärkte auszurichten, so Ruppert, der erst seit Anfang des Jahres in Teltow die Geschäfte führt. Zudem belasteten etwa 59 Millionen Euro Rücklagen für Pensionsansprüche alter Alcatel-Mitarbeiter das Unternehmen. Nextira habe ein Problem mit wegbrechenden Märkten und veränderten Berufsbildern. Er sei grundsätzlich optimistisch, bis zum Jahresende aus dem Schutzschirmverfahren herauszukommen. Das Unternehmen hat jetzt drei Monate Zeit, einen Sanierungsplan vorzulegen.

Erst Anfang 2011 hatte der deutsche Ableger der Firma seinen Hauptsitz nach Teltow verlegt – von Berlin-Tempelhof. Das Land Brandenburg förderte den Umzug mit 9,8 Millionen Euro. Auf der Cebit in Hannover vor gut einem Jahr wurde von der deutschen Firmenleitung noch verkündet, dass die Geschäfte bestens liefen. Zuletzt hatte es Proteste der Mitarbeiter gegen geplante Kürzungen gegeben: IG-Metall und Nextira-One-Geschäftsführung hatten sich im vergangenen Juni 2011 geeinigt, dass die Angestellten auf Tariferhöhungen verzichten. Im Gegenzug hatte die Firmenleitung zugesichert, bis Ende dieses 2012 keine betriebsbedingten Kündigungen vorzunehmen und die sieben Standorte in Deutschland zu erhalten. Im Dezember hatte die Firmenleitung dann angekündigt, ein Sparprogramm in Höhe von zehn Millionen Euro aufzulegen, das aus dem Gehaltsbudget finanziert werden sollte. Andernfalls, so die Geschäftsführung, drohe Insolvenz. (mit alm und mat)

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