KulTOUR: „Können Sie auch ein Pferd?“
Beim „Tag des offenen Ateliers“ ließen sich Künstler am Wochenende über die Schulter schauen
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Region Teltow - Das Malen ist eine einsame Kunst, deshalb sind Maler auch sehr gesellige Leute. Freilich trifft man nicht so oft auf sie, am ehesten noch, wenn sich die Türen ihrer Ateliers öffnen, jedes Jahr Anfang Mai. Dieses Jahr war zudem bestes Kaiserwetter, was offenbar auch ohne einen solchen Herren möglich ist. Ein Wochenende der offenen Ateliers also, diesmal mit Besuch im Malgrund Teltow/Stahnsdorf/Kleinmachnow. Dort, am Feldrand, beim blühenden Raps, wo man den Bonnern ein Heim auf dem Lande schaffen wollte, die dann nicht kamen, am Ende von Stahnsdorf also, hat die temperamentvolle Malerin Nicole Fritzsche-Brandt ihr Atelierhäuschen. Und am Samstagnachmittag bereits etliche Besucher.
Sie malt vom Feldweg nebenan über Porträts und Tiere einfach „alles“, auch per Auftrag. 300 Katzen zum Beispiel bisher, obwohl sie gar keine eigene hat, nur einen Wasserhund. Befragt, ob sie „auch Pferde“ könne, antwortete sie stante pede mit einer tiernahen Skizze. Sie „kann“ also, das hat ihr sogar der Tierpark Berlin gedankt.
Lebensecht und naturalistisch in der Kunst sind für sie zweierlei, „in jedem Bild bin ich ja drin“. So ähnlich sieht das auch die Stahnsdorferin Ulrike Seide, die Poetin unter den Textilkünstlerinnen. Sie hat immer eine „Spitze“ gegen die Männerwelt parat, doch freundlich. Herrlich verträumte, lebhaft-verspielte Batikarbeiten waren in ihrem Garten zu sehen: Der Rasenmähermann, einer, der mit dem Gartenschlauch ringt, wie Adam mit der Schlange, Töchter der Nacht, das Flötenmädchen im Mond, Städte aus der Phantasie, alles sehr lunar, in abgetönten Farben. „So viel Mond“ – das wird wohl seinen Grund haben! Viele der märchenhaft anmutenden Arbeiten werden demnächst in Kleinmachnow gezeigt.
Auch dort gab es viel zu sehen, viel zu erzählen. Die experimentierfreudige Autodidaktin Karin Müller-Grunewald wohnt in Kleinmachnow ganz oben. Ihr Atelier ist Teil einer dieser hübschen Wohnungen Am Wall. Überall Bilder. Ihre Arbeitsfelder sind Fotografie, Drucke, Montagen, Grafik. Sie lichtet Städte wie Berlin, London, Jüterbog ab, um sie dann malerisch oder technisch so zu verfremden und zu übermalen, bis viele Eindrücke in einem Bild sichtbar werden. Eigenwillige Veduten, fugale Unschärfe. Malerei gibt es bei ihr natürlich auch. Sie hat bei mehreren prominenten Adressen in der Bundeshauptstadt ausgestellt, will jetzt in den Verband, das würde vieles leichter machen. Ästhetisch freilich („ich baue ein Bild!“) scheint sie wohl noch „auf dem Weg“ zu sein, ein sehr interessanter Besuch!
Zuletzt dann der Abstecher zu Hans-Jürgen Brauer nach Teltow. Er wohnt mit seiner biologisch kundigen Gattin dort, wo hinter der Straßenhaus-Reihe nur noch Garten und Landschaft ist. Neue Bilder aus der Normandie in Ölkreide und anderen Techniken, Skizzenmappen, Gezeichnetes. Brauer ist ja der Maler mit dem kraftvollen Strich, nur scheinen seine neueren Bilder, randvoll an Kraft, irgendwie dunkler geraten zu sein. Der Garten – das Kunstwerk seiner Frau – mit dem blühenden Kirschbaum, den erlöschenden Kaiserkronen und dem kleinen Goldfischteich, ist ganz wunderbar anzusehen und zu empfinden, eine artenfüllige Pracht. Auch hier viel Besuch, die Einladung einer Kaffeetafel, Gespräche voller Wohlwollen, ein Ort von Frieden und Geselligkeit – denn diese hebt das stille Malen letztlich auf. So gesehen, sind die „Offenen Ateliers“ nicht Luxus, sondern lebenswichtig, das wahre Nutriment des Künstlers. Gerold Paul
Gerold Paul
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