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Potsdam-Mittelmark: Kontraste unterm Kirchendach

Das Nudower Gotteshaus ist Baustelle und Ausstellungsort zugleich

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Nuthetal · Nudow - Gerade erst sind die Zimmerleute und Dachdecker abgezogen, schon beginnt die Kirchengemeinde Nudow mit dem Aufbau der jährlich stattfindenden Bilderausstellung. Wieder dient sie einem nützlichen Zweck, der schrittweisen und denkmalgerechten Sanierung des 1733/34 erbauten Gotteshauses, sie soll zum 650. Ortsjubiläum 2009 abgeschlossen sein.

Ein weiter Weg, denn diese Kronkirche mit den Initialen des ersten Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. – FWR – auf dem Turmhelm ist trotz erfolgreicher Restaurierung des quadratischen Westturms und der jetzt abgeschlossenen Wiederherstellung von Dach und Gestühl weiterhin äußerst hilfsbedürftig. Eine Sockelsanierung, die Drainage des Kirchenschiffs, Boden- Putz- und Malerarbeiten werden die letzten beiden Bauphasen bis zum 275. Kirchenjubiläum bestimmen.

Neben einer Kunstausstellung ist dann auch eine zweite über die wenig bekannte Geschichte der von Johann Gottfried Kemmeter erbauten Kirche angedacht. Knackpunkt sind aber fehlende Dokumente zum katholischen Vorgängerbau. Thomas Engelhardt vom Gemeindekirchenrat, seit vielen Jahren für „unser Kirchlein“ sehr engagiert, vermutet, dass die nachfolgenden Arbeiten noch einige Überraschungen ans Licht bringen könnten, „unterirdische“ zum Beispiel. So viel ist jedenfalls klar: FWR hat dem Sprengel keine lutherische, sondern eine evangelisch-reformierte Kirche im Sinne des Königshauses spendiert, vielleicht als Konzession an die calvinistischen Neusiedler aus den Niederlanden und der Schweiz. Schon 1672 kamen viele der helvetischen, in Drewitz angesiedelten Glasmacher zum Gottesdienst nach Nudow.

Solche Feinheiten spielen im Gemeindeleben keine Rolle mehr, wenigstens nicht auf dem Lande. Nur wer“s ganz genau nimmt, wird sich daran stoßen, dass „Bilderverbot“ und Bildausstellung ganz „eigentlich“ nicht zueinander passen. Es dürften wenige sein. Die Gemeinde freut sich auf den diesjährigen Höhepunkt, zumal die 40 auszustellenden Werke direkt mit dem Paul-Gerhardt-Jahr verknüpft werden: War 2006 jedem Bild ein Bibelspruch zugeordnet, so diesmal eine Strophe aus seinem lyrischen Werk. Schöne Idee. Paul Gerhardt, der ja mit Friedrich Wilhelm wegen theologischer Feinheiten Ärger bekam, ist auch das Eröffnungskonzert mit Bärbel Bader (Sopran) und Rainer Bürgel (Orgel, Klavier) am kommenden Sonntag gewidmet. Auszüge aus seinem Liedschaffen liegen später noch auf den Kirchenbänken aus. Eine reformierte Kirche, ein evangelischer Kirchenlieddichter, Bilder der Moderne: drei Traditionslinien – welch ein Kontrast!

Thomas Engelhardts gute Kontakte zu der Berliner Kunstsammlerin Ursula Hollop tragen auch dieses Jahr erstaunliche Früchte. Wieder versorgte sie die Veranstalter mit Bildern aus eigenen Beständen sowie von befreundeten Galeristen der Hauptstadt. Und wieder ist sie bereit, 10 Prozent vom Erlöses der Verkaufsausstellung der kirchlichen Baukasse zu spenden – genauso nobel wie die Geste der Nachbargemeinden Gröben, Ahrensdorf und Siethen, zugunsten von Nudow auf eigenes „Bauerhaltungsgeld“ zu verzichten. Mit derart vereinten und spendablen Kräften muss der Dorfkirchensommer vor Ort ein Erfolg werden. Programmatisch fürs aktuelle Baugeschehen, für die Kunst und all die kommenden Gäste ist diesem Projekt ja Paul Gerhardts Zeile „ der wird auch Wege finden!“ vorangestellt.

Was gibt es nun zu sehen? Malerei und Grafik vom 18. bis zur Mitte des 20. Jahrhundert. Neben Zugpferden wie Menzel, Corinth, Dali, Zille, Barlach und Liebermann findet man wundervolle Genremalerei, Berliner Sezessionisten, Expressionisten, eine anspruchsvolle Elite neben Könnern, die einfach nur weniger bekannt sind. Der Ausstellungskatalog hat Sammlerqualität. Wer also kommen will, der wird den Weg über Saarmund auch finden. Gerold Paul

Gerold Paul

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