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Potsdam-Mittelmark: Kopfüber im Fahrerhäuschen

Dreitägiger Fernfahrer-Treff zum Thema „Sichere Ladung kommt an“

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Michendorf - Die Fahrerkabine wirkt echt: Vom Lenkrad über die Pedalen bis hin zu den Armaturen ist alles vorhanden. Auch die Sicherheitsgurte entsprechen denen eines Lkw. Jürgen Schöbel fragt nach, ob alle angeschnallt sind, schließt die Tür von außen und betätigt einen Hebel. Plötzlich kippt die Kabine auf die Seite, bleibt kurz stehen: Schaumstoffteile und Kissen purzeln durch den Fond und treffen auf Kopf, Arme und Beine. Es geht eine viertel Drehung weiter, so dass Fahrer und Beifahrer nun kopfüber in den Gurten hängen - allein die verhindern, dass die Schwerkraft ihr Übriges tut. Zwei Drehungen kommen noch, bevor der vermeintliche Lkw wieder zum Stillstand kommt.

Was nach einer Attraktion in einem Freizeitpark klingt, kann schnell tödlicher Ernst werden. Dies demonstriert der Überschlagsimulator der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (BGF) auf eindrucksvolle Weise. Das Gerät ist dieser Tage auf der Autobahnraststätte Michendorf (Nord) im Einsatz. Mit zahlreichen Partnern veranstaltet die Polizei hier bis morgen einen dreitägigen Fernfahrerstammtisch unter dem Motto „Sichere Ladung kommt an“. Brummifahrer und Führer von Kleintransportern sowie Fuhrunternehmer sind eingeladen, sich hier über Themen wie Ladungssicherung oder Lkw-Unfälle zu informieren.

BGF-Mitarbeiter Jürgen Schöbel ist selbst seit 36 Jahren Lkw-Kapitän und kennt die Gepflogenheiten: „Manche Fahrerhäuschen erinnern mittlerweile an Wohnzimmer: Da gibt es einen Fernseher, eine Kaffeemaschine und vieles mehr - alles unbefestigt“, sagt er kopfschüttelnd. Diese Geräte behindern nicht nur die Sicht: Wenn sich der Lkw bei einem Unfall tatsächlich überschlägt, wirbeln sie wie Geschosse durch durch die Kabine. Und anders als die Schaumstoffkissen können sie richtig wehtun. Wer dann nicht einmal angeschnallt ist, riskiere sein Leben: „Bei drei Vierteln aller Lkw-Unfälle mit Todesfolge hätte der Sicherheitsgurt das Leben des Fahrers retten können.“

Ein Stück weiter braust ein gelber 40-Tonner vorbei. Mit den linken Rädern fährt er auf feuchtem Asphalt, mit den rechten auf einer nassen Plane. Als der Fahrer auf die Bremse geht, bricht der Koloss aus und dreht sich. „Das passiert, wenn man ohne technische Hilfsmittel wie ABS bremst“, erläutert Rainer Beyer vom Fahrsicherheitszentrum des ADAC in Linthe über Mikrophon.

Der gelbe MAN fährt an die Seite und heraus klettern der neue Präsident des Polizeipräsidiums Potsdam, Klaus Kandt, und der Leiter des Schutzbereiches Brandenburg, Sven Bogacz. Auch die Fahrt im Überschlagsimulator machen die beiden mit. „Man ist völlig hilflos, wenn der Lkw sich dreht“, so Kandt anschließend. Deshalb sei es unverständlich, dass sich so viele Fahrer nicht von der seit 1992 geltenden Gurtpflicht überzeugen lassen. Auch dazu solle der Fernfahrerstammtisch dienen – und zum gegenseitigen Austausch. Kontrolliert werden muss dennoch. Polizeihauptmeister Armin Neubauer und seine Kollegen überprüfen am Einfahrtsbereich der Raststätte gerade einen Transporter aus Lettland. Der Brummi hat Torfstäbe geladen, und die werden nur von Brettern auf der Ladefläche gehalten, beginnen schon zu bröckeln. Die Weiterfahrt nach den Niederlanden kann erst erlaubt werden, wenn die Wände dicht sind.

Im Hinblick auf Ladungssicherungen erlebt die Polizei manchmal Abenteuerliches: „Wir haben mal einen Tieflader angehalten, der hatte einen 12-Tonnen-Lkw geladen. Auf diesem wiederum stand ein 7,5-Tonner und auf den schließlich hatte man noch einen Opel Omega gestellt. Das hatte schon während der Fahrt geschaukelt", erinnert sich Neubauer. Darüber hinaus waren überall Fahrzeugteile dazwischen gesteckt. Die Konstruktion ging als „Bremer Stadtmusikanten“ in die Geschichte seiner Einheit ein.

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