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Potsdam-Mittelmark: Kränkung, Prügel, Drohanrufe

Betroffenheit nach rassistischem Übergriff am Herrentag / Große: „Strafe hätte auf dem Fuß folgen müssen“

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Werder - Die Narbe im Gesicht von Daniel P.* ist wieder halbwegs verheilt, ebenso die Platzwunde auf seinem Rücken. Aber der Schreck sitzt ihm und seinen beiden Freunden noch in den Knochen: Am 17. Mai, dem diesjährigen „Herrentag“, wurden die drei Potsdamer Opfer eines offensichtlich rassistischen Übergriffes in Werder (Havel). Die beiden dunkelhäutigen Brüder Heiko und Andreas F.*, sie sind gebürtige Deutsche, waren damals auf dem Plantagenplatz erst aus einer Gruppe von jungen Männern heraus beleidigt worden, kurz danach gerieten sie in eine Schlägerei.

Die drei werden zurzeit vom Verein Opferperspektive betreut und beraten, der Fall wird von der Staatsanwaltschaft Potsdam untersucht. Gegenüber den PNN haben sie jetzt die Vorgänge geschildert. Demnach hatte einer aus der Gruppe am Plantagenplatz die beiden Brüder als „Nigger“ beschimpft und „Verpisst euch“ gerufen. Daniel P. wollte ihn nach eigenen Angaben daraufhin zur Rede stellen und wurde sofort von einem Schlagring ins Gesicht getroffen. Kurz danach verließ der Täter mit seinen Freunden den Platz. „Wir hatten den schon mal gesehen, wussten von Bekannten auch seinen Namen“, erinnert sich der 21-jährige Andreas F.. Über Mobiltelefon habe man die Adresse herausbekommen.

Die drei machten sich auf den Weg in den Hamburger Ring zu der vermuteten Wohnung des Täters. Wie sie erzählen, wollten sie bei einer Anzeige möglichst konkrete Angaben machen können und daher sicher gehen, dass dies die richtige Adresse ist. An der Haustür vom Bruder des mutmaßlichen Täters abgewiesen, sahen die drei plötzlich hinter sich eine Gruppe von sieben jungen Männern stehen – einer von ihnen mit einer Sturmhaube maskiert, alle mit Eisenstangen bewaffnet. Sofort begannen sie, auf ihre Opfer einzuschlagen.

Während der Prügelei gelang es dem 19-jährigen Heiko F., die Polizei zu alarmieren. Zwar erschien bald darauf ein Streifenwagen, „aber die beiden Beamten waren völlig überfordert“, so Heiko F.. Erst als ein zweiter Wagen eintraf, konnte die Schlägerei beendet werden. Kurz zuvor konnte Andreas F. noch dem Anführer die Maske herunterreißen: es war der gleiche Mann, der bereits am Plantagenplatz zugeschlagen hatte. Der Abend endete für ihn, ebenso wie für die drei Opfer, die erst einmal vom Notarzt versorgt wurden, auf der Polizeiwache. „Wir mussten die ganze Nacht auf die Kripo warten, um unsere Aussage machen zu können“, erinnern sie sich.

Gegen den Haupttäter wurde daraufhin Haftbefehl erlassen, allerdings gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt, so Juliane Heil von der Staatsanwaltschaft Potsdam. Es werde aber auch gegen die anderen Schläger ermittelt. Ob die Tat einen fremdenfeindlichen Hintergrund hat, müsse allerdings noch geklärt werden. Aus Polizeikreisen wird das bereits bejaht. Dass die Tat rassistisch motiviert war, daran hegen auch die Opfer keinen Zweifel. Denn mittlerweile hätten sie sogar Drohanrufe bekommen, berichten sie. „Die Weißen werden euch kriegen“, hatte die Stimme aus dem Hörer gesagt. Ein anderes Mal seien sie zu einer weiteren Schlägerei in Potsdam „eingeladen“ worden.

Der Vorfall wird zurzeit auch im Werderaner Bündnis für Kulturaustausch, gegen Rassismus und Gewalt (Kurage) diskutiert. Dort war der Fall auch erst kürzlich öffentlich geworden. Kurage-Sprecher Hans-Hartwig Lau gab sich schockiert darüber, „welches Maß an Verrohung und Gewalt im Spiel waren“. Dass die Schläger offensichtlich aus Werder stammen, mache deutlich: „Wir leben nicht auf der Insel der Glückseligen, sondern haben gute Gründe, alle Kräfte gegen Gewalt und Rassismus zu bündeln.“ Seit seiner Gründung vor anderthalb Jahren versucht das Bündnis, sämtliche Parteien und Vereine der Stadt für den Kampf gegen Rechts zu gewinnen.

Betroffenheit auch bei Werders Bürgermeister Werner Große (CDU): „Eine solche Tat ist auf keinen Fall zu tolerieren“, sagte er auf PNN-Anfrage. Die Strafe dafür hätte eigentlich auf dem Fuße folgen müssen, „sonst entwickelt sich bei den Tätern kein Unrechtsbewusstsein“. In der Blütenstadt gebe es zwar zahlreiche Angebote, um Jugendliche und Heranwachsende in die Gesellschaft zu integrieren - der Bürgermeister verwies auf die vielen Sportvereine, Jugendclubs und Sozialarbeiter an Schulen - doch eine bestimmte Klientel erreiche man damit einfach nicht.

Laut Polizeiangaben war auch bei dieser Tat Alkohol im Spiel. In Werder gibt es momentan Überlegungen, den Alkoholkonsum an bestimmten Plätzen in der Stadt zu verbieten, sagte Große. Dies sei Teil des Entwurfes einer Ordnungsbehördlichen Verfügung, den die CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung im Dezember vorlegen will (PNN berichteten), so Große. Außerdem soll im kommenden Jahr die Zahl der Ordnungsamtsmitarbeiter im Außendienst um zwei auf sechs Leute erhöht werden. *(Namen von der Redaktion geändert.)

Das Bündnis Kurage trifft sich am Dienstag, 11. September, 19 Uhr im „Hotel zur Insel“ Am Markt, um nach dem Übergriff Gegenmaßnahmen zu beraten.

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