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KulTOUR: Kretzschmar kriegt sie alle

Der bekannte Karikaturist zeigt im Rathaus in einer Ausstellung „Kleinmachnower Köpfe“

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Kleinmachnow - Seit über 60 Jahren ist der Kleinmachnower Karikaturist Harald Kretzschmar mit dem Stift Gesichtern auf der Spur. Individuelle Eigenarten und das Absonderliche im menschlichen Gesicht ziehen ihn magisch an. Mit interessanten Köpfen belieferte der vielbeschäftigte Künstler vor allem den Eulenspiegel-Verlag, aber auch Tageszeitungen.

Vorzugsweise gerieten prominente Charakterköpfe in Kretzschmars Visier, darunter auch einige Kleinmachnower, die Zeitgeschichte schrieben. Die so von Kretzschmars Stift „Getroffenen“ sind bis zum 22.Oktober in der Ausstellung „Kleinmachnower Köpfe“ im Rathaus zu besichtigen. Die Chronik der lokalen Kunstszene reicht jedoch nur bis 1990 – eine durchaus von Kretzschmar beabsichtigte Zäsur. Denn „die Köpfe danach müssen sich erst noch bewähren“, hieß es zur Ausstellungseröffnung.

Trotzdem sollte sich keiner sicher wähnen, nicht doch eines Tages von Kretzschmar getroffen zu werden. Denn Laudator Hans Jürgen Rosenbauer – Fernsehmoderator und ehemaliger RBB-Intendant – verriet schon mal, wer in den Augen des Karikaturisten als typischer Kleinmachnower gilt: alle Zugereisten.

Natürlich trifft das auch auf den 1931 in Berlin-Steglitz geborenen Kretzschmar selbst zu, der 1956 im Ort ansässig wurde und nach eigener Auskunft Dresden als seine kulturelle Heimat betrachtet. Dort ging er zur Schule und bekritzelte schon damals seine Hefte mit den Konterfeis von Lehrern, Politikern und Künstlern. Dazu wusste Rosenbauer auch eine Anekdote zu berichten: Als der junge Kretzschmar einmal Thomas Mann zeichnete, obwohl er ihn nie gesehen hatte, antwortete er auf Nachfragen keck: „Ich habe ihn doch im Radio gehört.“

Solchermaßen wurde er auch in den 60er Jahren mit Rosenbauer „bekannt“, erzählte der Karikaturist verschmitzt, denn ARD und ZDF waren in Kleinmachnow besser zu empfangen als das DDR-Fernsehen. Dafür wohnten Fernsehprominente wie die Schauspieler Herbert Köfer und Agnes Kraus nur ein paar Straßen weiter. Sie sind ebenso in Kretzschmars Porträt-Galerie vertreten wie die Regisseure Hans Hildebrand (Polizeiruf), Konrad Petzold, Hans-Joachim Kasprzik, Frank Beyer und Lothar Warnecke. Dass auch der Schauspieler Erwin Geschonneck, der von 1950 bis 1952 am Stahnsdorfer Damm wohnte oder Wolfgang Kieling, der zwei Jahre im Ort lebte, erstaunte manchen der rund 150 Ausstellungsbesucher.

Mitunter war es die Nasenform eines prominenten Nachbarn, die Kretzschmars Zeichenlust beflügelte. So porträtierte er die Schriftstellerin Christa Wolf zweimal per Besuchstermin, aber so richtig erkannte er die Form ihrer Nase erst zehn Jahre später im Dunkel einer Theatervorstellung. Auch Kleinmachnower Malerkollegen wie Alexander Camaro und Wolfgang Wegener entkamen Kretzschmars Zeichenstift nicht. Ebenso nicht der Pianist Herbert Kaliga, der sich mit Sohn Edwin und dessen Tochter Sarah zur Ausstellungseröffnung musikalisch „revanchierte“. Als Musikfreund offenbarte sich dem Karikaturisten einst auch der bekannte Restaurator Rolf Ibscher, der nachts manchmal anrief, um mitzuteilen, dass er einen Kuchen gebacken hatte. Vielmehr ging es ihm wohl aber darum, seinen Gästen auf dem Klavier Chopin vorzuspielen.

Nur Künstler habe er ursprünglich in seine Kleinmachnower Porträt-Galerie aufnehmen wollen, erzählt Kretzschmar. Aber in diesem Ort hätten auch eine Reihe von politischen Persönlichkeiten gelebt, auf die er dann doch nicht verzichten wollte. Dazu zählt er die Reichstagsabgeordneten Georg Gradnauer und Ernst Lemmer sowie den preußischen Kultusminister Adolf Grimme. Rund 40 prominente Köpfe versammelt die Ausstellung, und auch ein Buchprojekt ist bereits geplant mit dem Arbeitstitel „Kommen und Gehen“, für das noch Sponsoren und ein Verlag gesucht werden.

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