Von Thomas Lähns: Kulturpflege mit Kamm und Koteletten
Die „Rockabilly-Garage“ wird zum Verein und feiert am Samstag mit fünf Rock’n’Roll-Bands in Töplitz
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Werder (Havel) / Potsdam – Sie hören Elvis, Bill Haley und Johnny Cash – und auch sonst ist ihr Leben stilecht. „Bei uns ist sogar die Wohnung wie in den 50ern eingerichtet“, erzählt der 36-jährige Daniel Sendzek: Lampen, Möbel und die gute alte Fernsehtruhe inklusive. Der Rock’n’Roll soll künftig einen festen Platz in der Region bekommen: Sendzek und ein gutes Dutzend weiterer Fans der Rolling Fifties haben den Verein „Rockabilly Garage“ ins Leben gerufen. Die Gründungsparty findet am Samstag im ehemaligen Hotel am Zernsee in Töplitz statt. Fünf Bands wollen den Gästen mit handgemachter Musik einheizen und die Tanzpaare umeinander wirbeln lassen.
Für die kleine Schar sogenannter Rockabillies wird das der Sprung in die Öffentlichkeit, denn bislang führten sie mit ihrer Lebensart ein Nischendasein. Haartolle, Koteletten und die umgeschlagenen Jeans sorgen auf der Straße mitunter für Stirnrunzeln, Pettycoat und Pony bei den Frauen sind auch nicht gerade das, was Stilikonen des 21. Jahrhunderts empfehlen. Die weltweite Szene ist klein aber tapfer – und hat auch hierzulande die Dekaden überlebt. Rockabilly ist in erster Linie ein Musikstil, der vor 60 Jahren im Süden der USA entstand, als weiße Musiker „schwarze“ Klänge wie Rhythm and Blues mit Country- und Hillbilly-Musik vereint haben. Die klassische Kombo aus E-Gitarre, Bass und Schlagzeug ist noch heute Grundstock jeder Rock-Band, Lieder wie „Stand by me“ oder „Love me tender“ tauchen immer wieder mit neuem Anstrich in den Hitparaden auf.
Einer der selbst in der DDR als Rockabilly durchgehalten hat, ist der Potsdamer Mario Sauerzapf. „Elvis“, wie ihn alle nennen, hört seit seinem 12. Lebensjahr die Musik seines berühmten Namensvetters. Darauf gestoßen ist der heute 38-Jährige in der Schule: Jemand hatte „Elvis“ ins Pult geritzt und weil ihn das interessierte, hat er sich eine Schallplatte ausgeliehen. Als der Rias 1987 zum 10. Todestag von Elvis Presley ganze Nächte lang Konzerte spielte, war es um Mario geschehen. Die Konsequenzen: zuckerwassergestählte Haare und kopfschüttelnde Eltern. „Ich bin wahrscheinlich als Einziger so in Potsdam rumgelaufen“, sagt er.
„Elvis“ hat den Vorsitz in dem noch jungen Verein übernommen. „Unser Ziel ist die Förderung von Nachwuchsbands“, erklärt er. Aber es geht um weit mehr als nur Musik: Es geht um Kulturpflege. Ob man dabei nun den „American Way of Life“ hoch hält, der einst mit den Besatzungstruppen nach Westdeutschland kam, oder gezielt an die Wirtschaftswunder-Jahre in der Bundesrepublik erinnert, ist dabei einerlei. „Bei uns gibt es auch Fans von Peter Krauss und Ted Herold“, veranschaulicht Daniel Sendzek. Trotz des Halbstarken-Looks und des bewusst coolen Auftretens sei die Szene „absolut aggressionsfrei“, unterstreicht er.
Der Stammsitz der „Rockabilly-Garage“ befindet sich im Potsdamer Ortsteil Grube, in den früheren Räumen eines Autohauses. In der Werkstatt nebenan wird noch heute geschraubt. Der Inhaber ist selbst ausgewiesener Rock ’n’ Roller, war sogar schon in Graceland und hat den „King“ am Grab besucht. Auf dem Hof stehen Karossen aus vergangener Zeit, in der Vereinszentrale hängen Bilder von Buddy Holly und Co. Originale Möbel, Konföderierten-Flaggen und Instrumente an der Wand runden das Bild ab. Der Fernsehkasten an der Wand – ein 50er Jahre-Modell – läuft sogar mit DVD-Player. Seit circa zwei Jahren treffen sich die Rockabillies hier. Für das Konzert am Wochenende allerdings würde der Platz nicht reichen.
Die Szene in der Region schätzt Sendzek auf 150 Leute.Es könnten bald mehr daraus werden, denn nachdem in den letzten Jahren die 80er und 70er musikalisch wie modisch noch einmal aufgelebt waren, sind jetzt die 50er für eine Renaissance fällig. Bands wie „Dick Brave and the Backbeats“ und „The Baseballs“ interpretieren die alten Songs oder drehen den Spieß um und spielen die neuen im Rockabilly-Stil. Die alten Hasen mahnen aber zur kritischen Distanz: „Das ist doch Kommerz“, winkt Daniel Sendzek ab. Er weiß: So schnell die Welle kommt, könnte sie auch wieder vorbei sein. Hier plant man aber langfristiger. Und so ist den echten Rockabillies auch egal aus welcher Richtung der Wind gerade weht – die Tolle wird immer sitzen.
Konzertbeginn am Samstag um 19 Uhr, An der Havel 19-20. Eintritt 12 Euro. Infos auf www.myspace.com/rockabillygarage
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