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KulTOUR: „Grenzgänge“ auf dem Grelleberg: Künstlergruppe Stilus in der Petzower Kirche

Werder (Havel) - Zuerst einmal darf man der Künstlergruppe Stilus zu ihrer diesjährigen Ausstellung in Petzows Grelle-Kirche gratulieren. Nicht unbedingt, weil mit dem Thema „Grenzgänge“ ein besonders heißes Eisen angefasst wird, des Künstlers Geist ist beim Ausweiten und Überschreiten von Grenzen ja längst geübt.

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Werder (Havel) - Zuerst einmal darf man der Künstlergruppe Stilus zu ihrer diesjährigen Ausstellung in Petzows Grelle-Kirche gratulieren. Nicht unbedingt, weil mit dem Thema „Grenzgänge“ ein besonders heißes Eisen angefasst wird, des Künstlers Geist ist beim Ausweiten und Überschreiten von Grenzen ja längst geübt. Vielmehr ist ein Zuwachs an Format zu konstatieren, es scheint, als sei jetzt mehr reflektiert als nur gebaut oder gebastelt worden. Damit erhöht sich auch die Akzeptanz des Betrachters, also auch die Bereitschaft, die Angebote der zehn Beteiligten rezeptiv zu verarbeiten. Löblich auch, dieses ganze Grenzgängertum nicht auf die aktuelle Flüchtlingslage zu reduzieren, obwohl man hier deutlich Präsenz zeigt, in Ekhard Gaedes Fotoserie über mehr oder weniger bewohnbare Unterkünfte für die Ankömmlinge zum Beispiel.

Im eigenen Karma gefangene Grenzgänger zwischen diesem und dem nächsten Leben zeigen die Fotos von Krystyna Kauffmann am Beispiel auf der Straße lebender und bettelnder Hindus in Nepal – in „Karma“ ist ja das Wort „arm“ schon enthalten. Der Fotograf Klaus Brenneisen kommt bei der Suche nach den Spuren der Berliner Mauer zu der respektablen Erkenntnis, dass Grenzen nicht nur trennen, sondern auch verbinden können, falls sie verschwinden, oder auch nicht. Das trifft auch auf die Überreste des Olympiadorfes in Elstal zu, Helga Lehner hat sie – nur in Farbe – abgelichtet.

Vorwärtsgang – Rückwärtsgang – Grenzengang: So flaniert man durch diese bilderreiche Exposition, und fühlt sich mehr an- als aufgeregt, was kein Schade sein muss: Bei Stilus soll ja in letzter Zeit einiges in Bewegung gekommen sein. Unübersehbar ein Triptychon von Dieter Steinkamp, Mischtechnik, Fotocollage, elektronische Malerei und andere Extras der Maltechnik verbindend. Darin gibt es Zitate von Bunuel bis Beuys, dazu einen langen Begleittext, der alles andere als denkunabhängig ist. Aber man kann ja darüber nachsinnen, schon weil die Symbolik der Freimaurerei überdeutlich ist; das „allsehende Auge“ übrigens ist nicht das Auge Gottes.

Und doch eine originelle Konstruktion. Den „gefahrenvollen Transitzustand“ von afrikanischen Flüchtlingen macht Fred Tille mit drei absichtsvoll verschwommenen Bildern deutlich. Europas „Verheißungen“? Von Dejo Denzer sind ein paar maskenhafte Objekte interessant, fremdartige Mumienköpfe, aus alten Schuhen gemacht. Sein Rettungsring voller Stacheldraht wirkt ideologisch und plakativ, auch ein Bild hat er der Ausstellung zugefügt. Sang der Beatle George Harrison nicht auch mal von alten braunen Schuhen?

Grenzgängerinnen schienen der Malerin Ellen Ernst die kurdischen Peschmerga-Kämpferinnen zu sein. Sie hat diese kurzerhand in mancherlei Gefühlsverfassung porträtiert, in Kampfposition und mit Waffe. Vielleicht geht das etwas kurz. Bleiben Gabriele Tille-Tagge mit überschriebenen Fotos von Stätten mit ethnischen Grenzen“ wie angeblich im italienischen Salo oder in Bosnien, und der Maler, Musiker und Buchillustrator Olaf Kaminski, immer für eine Schmunzelei gut. Von ihm stammt das zeichnerisch-surreal angehauchte Bild von der „Brandenburgischen Antigone“. „Eingemauert hat er mich, der Ungeheure“, stöhnt sie, auch eine Grenzgängerin, und sieht um sich herum „alles voller Inzest, Pädophilie, Gewalt und Wahnsinn“. Die Gegenwart. Und summt ganz leis „Wenn ich ein Junge wär... tülü ... mit einem Motorrad, tü-lülü...“ – Gratulation! Gerold Paul

Noch bis 18. Oktober, samstags und sonntags 11 bis 18 Uhr.

Gerold Paul

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