Spenden erwünscht: Kurz nach zwölf in Glindow
Die Sammelaktion hat ein denkwürdiges Motto: „Wir gehen ihnen auf den Zeiger.“ Die evangelische Kirchengemeinde Glindow wirbt derzeit für Spenden, um die weithin sichtbare, defekte Kirchturmuhr wieder in Gang zu setzen.
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Werder (Havel) - Möglichst im Sommer soll sie wieder gehen – und zwar genauer als je zuvor, verspricht Pfarrerin Andrea Paetel-Nocke. Die Kirchturmuhr soll ein „sichtbares Zeichen des guten Miteinanders“ im Ort werden, wünscht sich die Pfarrerin. Denn dass sie nicht mehr geht, stört nicht nur die Christen im Ort.
Das irreparable, mechanische Uhrwerk soll durch ein wartungsfreies Elektrolaufwerk mit Funkempfänger ersetzt werden. Der bekommt dann – wie 100 Millionen Funkuhren in Zentraleuropa – sein Signal vom Zeitzeichensender in Mainflingen bei Frankfurt (Main). Jedes der drei Zifferblätter soll ein neues Zeigerpaar erhalten. Die Gesamtkosten werden sich auf 10 000 Euro belaufen, die Hälfte davon will die Gemeinde übernehmen. Für die andere Hälfte hofft man auf die Spendenbereitschaft der Glindower.
Andrea Paetel-Nocke hat erst im August vergangenen Jahres ihren Dienst in Glindow angetreten, die 45-Jährige war zuvor im Lausitzdorf Trebbus als Pfarrerin tätig. Dass die Uhr der vor 160 Jahren geweihten Kirche nicht mehr geht, der Zeiger kurz nach zwölf stehen geblieben ist, habe sie von Anfang an gestört. „Es gehört zum Gesamtbild der Kirche als Wahrzeichen des Orts, dass die Kirchturmuhr die Zeit anzeigt“, findet sie.
Im Gemeindekirchenrat sah man es genauso, und auch im Glindower Carnevalsclub: Von dort ging nach einem Spendenaufruf das erste Geld ein, inzwischen sind bereits 1500 Euro zusammengekommen, sagt Kirchenälteste Elke Liere. Seit etwa drei Jahren würde die Uhr nicht mehr funktionieren, bis dahin hatten zwei ältere Herren das störanfällige Laufwerk aufgezogen, gewartet und nach Defekten immer wieder in Gang gebracht.
Die Kirchengemeinde hat immer sehr auf den Bau des Schinkelschülers August Stüler, dem Architekten des Neuen Museums Berlin, geachtet. Die Kirche ist gut in Schuss: 1985 wurde die Turmhaube, 1989 die Kirchenfenster und 1990/91 Dach und Feldsteinmauerwerk erneuert. Einige Jahre später folgten Schwamm- und Innensanierung, und vor fünf Jahren wurde dann als Krönung das Kruzifix vergoldet. Nur die Uhr blieb die alte.
Der Kirchturm ist mit 40 Metern besonders hoch. Die Kirche wurde nicht etwa aus Glindower Ziegeln, sondern aus Joachimsthaler Backstein errichtet. Die Feldsteine des Vorgängerbaus wurden einbezogen. Seit kurzem funktioniert die Läutanlage wieder: Wie einst markiert sie um 7 Uhr, 12 und 18 Uhr den Arbeitsbeginn, die Pause und den Feierabend der Glindower Ziegler.
Die Geschichte ist gut dokumentiert, aber eine Frage kann man in Glindow nicht beantworten: die nach dem Zifferblatt, das viele Besucher eher an eine Bahnhofs- als eine Turmuhr aus dem 19. Jahrhundert erinnert. Die Kirchenuhr wurde zwar erst 53 Jahre nach der Kirchweihe eingebaut, allerdings lassen historische Postkarten vermuten, dass das Original einmal besser zu dem neogotischen Bau gepasst haben durfte.
Das muss schon sehr lange her sein, denn selbst ältere Glindower können sich nicht an einen Austausch erinnern, sagt Kirchenälteste Liere. „Es haben sich alle daran gewöhnt.“ Die anstehende Reparatur soll trotzdem zum Anlass genommen werden, noch mal nach dem Original zu recherchieren. Elke Liere will sich dazu ins Domstiftsarchiv Brandenburg (Havel) begeben.
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