Potsdam-Mittelmark: Landrat Koch weist Amtsmissbrauch zurück „Hohe Sensibilität“ bei Mitarbeitern / FDP fordert nach Kindesentzug Disziplinarverfahren
Stahnsdorf / Belzig - Landrat Lothar Koch (SPD) hat den Vorwurf des Amtsmissbrauchs durch Mitarbeiter des Jugendamtes im Kreistag scharf zurückgewiesen. Hintergrund ist die Herausnahme zweier Pflegekinder aus einer Stahnsdorfer Familie, die mit dem rechtlich unhaltbaren Verdacht auf Kindesmissbrauch begründet worden war.
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Stahnsdorf / Belzig - Landrat Lothar Koch (SPD) hat den Vorwurf des Amtsmissbrauchs durch Mitarbeiter des Jugendamtes im Kreistag scharf zurückgewiesen. Hintergrund ist die Herausnahme zweier Pflegekinder aus einer Stahnsdorfer Familie, die mit dem rechtlich unhaltbaren Verdacht auf Kindesmissbrauch begründet worden war. Die Pflegeeltern hatten sich am Mittwoch in einem offenen Brief an den Kreistag gewandt: Darin wurde der Vorwurf des Amtsmissbrauchs erhoben, es wurden dienstrechtliche Maßnahmen gefordert. Zudem war in den vergangenen Tagen ein zweiter Fall bekannt geworden, in dem das mittelmärkische Jugendamt im Jahr 2002 – gegen einen richterlichen Beschluss – Kinder aus einem Stahnsdorfer Kinderheim den Eltern zurückführen wollte (PNN berichteten).
Landrat Koch nahm im Kreistag zu beiden Fällen Stellung. „Man kann sich streiten, ob das angemessen war. Aber den Vorwurf des Amtsmissbrauchs muss ich zurückweisen.“ Beides seien Fälle, wo eine „hohe Sensibilität bei den Mitarbeitern da war“. Sie hätten aber „vielleicht zu früh“ gehandelt, räumte er ein. Für die Fehlentscheidung im Fall der Stahnsdorfer Pflegefamilie rechtfertigte sich Koch: „Wenn tatsächlich Missbrauch vorliegt, ist der Schaden viel größer.“ Die kriminelle Energie der Täter sei groß, oft würde es nur Indizien geben. „Gerichte sind dagegen in der passablen Situation, auf der Basis von Tatsachen zu entscheiden zu können.“
Im nächsten Jugendhilfeausschuss wolle man die Gratwanderung deutlich machen. Koch bedauerte, dass der Jugendhilfeausschuss – trotz regelmäßiger Nachfragen – nicht früher über die beiden Fälle informiert wurde. Irina Günther (Die Linke) hatte zuvor kritisiert, dass der Ausschuss nicht einmal von der neuen Struktur der Behörde ins Bild gesetzt wurde und lediglich positive Aussagen zur laufenden Tätigkeit zu hören seien. „Wir werden hier vorgeführt und wissen über nichts Bescheid.“
FDP-Fraktionsschef Hans-Peter Goetz sah einen Anfangsverdacht für ein Disziplinarverfahren gegeben. „Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen.“ Aus dem Gerichturteil über die Pflegefamilie ließen sich „gravierende Rechtsverletzungen“ herauslesen. Das Familiengericht sah auch im Kinderheim-Fall das Kindeswohl durch das Jugendamt gefährdet. Goetz schlug vor, künftig vor Inobhutnahmen alle Beteiligten anzuhören.
Auch CDU-Fraktionschef Rudolf Werner fragte nach der „Eignung der Mitarbeiter“. Die Grüne Elke Seidel schlug nach dem Vorbild anderer Kommunen einen „Arbeitskreis Kinderschutz“ vor.
Koch nahm das Jugendamt gegen die Vorwürfe demonstrativ in Schutz: Dessen Leistungen ließen sich nicht an zwei Beispielen messen, es gebe hunderte Fälle, in denen gut gearbeitet wird. Bestürzt mache ihn, dass die Eltern „Köpfe rollen sehen wollen“. „Ich sehe die Gefahr, dass die Mitarbeiter bei der unsachlich geführten Diskussion aufgeben und ihre Sensibilität verlieren.“ Soweit etwas zu klären ist, werde dies nicht öffentlich getan. „Wir sind nicht im Mittelalter, es gibt keine Hexenverbrennung mehr.“ Auch Jugenddezernent Thomas Schulz erklärte gegenüber den PNN, dass für derartige Fälle ein hoher Datenschutz gelte. Selbst eine Information des Jugendhilfeausschusses werde nur in „sehr allgemeiner Form“ erfolgen können. Henry Klix
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