Potsdam-Mittelmark: Landwirte als Ölscheichs von morgen
Die „Innovationstour“ von Bündnis 90/Die Grünen startete im Teltower Forschungsinstitut Biopos
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Die „Innovationstour“ von Bündnis 90/Die Grünen startete im Teltower Forschungsinstitut Biopos Von Karsten Sawalski Teltow - Ökologisch gute Ideen politisch umzusetzen ist nicht immer ganz einfach – aber auch nicht unmöglich. Das wissen wenige besser als die Partei der Grünen. So verwundert es nicht, dass sie vor kurzem mit einer Delegation in Teltow zu Gast waren: bei Biopos dem Forschungsinstitut für Bioaktive Polymersysteme. Dort will man aus nachwachsenden Rohstoffen Energie gewinnnen – und dieser Technologie helfen, sich auf dem Markt zu etablieren. Das Motto der Tour der grünen Bundestagsfraktion durch Brandenburg lautet: „Wo in Deutschland die Zukunft tickt“. Bei Biopos in Teltow ließen die Abgeordneten sich die Verarbeitung von nachwachsenden Rohstoffen vorführen, wie sie in Bioraffinerien geplant ist. Allein, es fehlt die Anschubfinanzierung. Biopos und die angegliederte „Biorefinery.de GmbH“ erforschen natürliche Rohstoffe und entwickeln daraus Produkte, wie Haftmittel für die Kosmetikindustrie, die dann von amerikanischen Unternehmen produziert werden. Zur Zeit ist das Teltower Forschungsinstitut konzeptionell am Aufbau einer Bioraffinerie auf Island beteiligt. Dort wandelt man Luzerne in Ethanol um, das dann als Kraftstoffzusatz verbraucht werden soll. Mit dem großen Interesse der Grünen steigt bei den Teltower Forschern die Hoffnung, dass auch in Brandenburg Bioraffinerien entstehen könnten. Wenn auch nicht in dem großen Maßstab wie in den USA: Die erste Großanlage der Welt zur Produktion von Biopolymeren wurde 2002 in Nebraska eingeweiht. Sie produziert jährlich 140000 Tonnen eines Polyesters auf der Basis von Milchsäure. Biopos verfolgt dagegen einen ganzheitlichen Ansatz, erläuterte die wissenschaftliche Leiterin Birgit Kamm: Aus einer Pflanze können Zucker und Fasern für viele verschiedene Anwendungen gewonnen werden. „Für Brandenburg würden sich schon wesentlich kleinere Anlagen rechnen“, sagte die Biopos-Leiterin und nannte das Modellvorhaben der Futtermittel-Selbelang GmbH (FMS). Deren Grüngut-Trockenwerk bereitet Gras und Luzerne für eine Weiterverarbeitung vor. Biopos bemüht sich seit langem darum, das Werk um eine Primärbioraffinerie zu erweitern, in der für die Industrie interessante Grundstoffe hergestellt würden. Bisher fehlte die Finanzierung. Vielleicht gibt die „Innovationstour“ nun den Anschub: „Staatsekretär Berninger hat uns seine Unterstützung beim Bund zugesagt“, freute sich die Biopos-Leiterin. Mit den neuen Agrar-Technologien verbindet Bündnis 90/Die Grünen die Hoffnung auf neue Arbeitsplätze. „Dadurch können Jobs in ländlichen Regionen entstehen“, formuliert etwa Matthias Berninger. Der parlamentarische Staatssekretär im Agrar-Ministerium betitelte die Landwirte bereits als „Ölscheichs von morgen“. Als „großen Durchbruch“ bezeichnete er die dritte Novelle der Verpackungsverordnung, die heute in Kraft tritt. Demnach sind Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen vom Rücknahmesystem „Grüner Punkt“ ausgenommen. Weil die Entsorgung für den Handel entfällt, bekommen diese Produkte einen Preisvorteil gegenüber herkömmlichen Chemie-Verpackungen. „Wir bemerken ein Umdenken in den Konzernen“, begrüßte auch Harald Kaeb von der Interessengemeinschaft Biologisch Abbaubare Werkstoffe e.V. die politische Weichenstellung angesichts des Wettbewerbsvorteils der Nachbarländer Frankreich, England und Holland. Dort gehören Bio-Verpackungen in den Supermärkten bereits zum Sortiment. „Bio-Verpackungen sind aber nur ein Weg“, sagte Birgit Kamm und verwies auf die Möglichkeit, alle Materialien, die bisher chemisch und auf Erdölbasis hergestellt werden, mit nachwachsenden Rohstoffen zu produzieren. Die Landwirte müssten sich jetzt überlegen, in welchem Ausmaß sie den Anbau von Nahrungs- auf Nutzpflanzen umstellen können“, so Kamm. Die brandenburgische Landwirtschaft solle sich neu strukturieren, Genossenschaften gründen oder die Verbindung zu agrarwissenschaftlichen Unternehmen wie der FMS suchen, empfahl die Biopos-Leiterin. „Die nachhaltige Landwirtschaft ist die Zukunft und zentrales Thema im Wahlkampf“, kündigte Staatssekretär Berninger an. Als der Besuch in Teltow geplant wurde, wusste er noch nicht, dass der so schnell kommen würde.
Karsten Sawalski
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