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Musik war in verschiedenen Facetten Gast auf der Streuobstwiese.

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Potsdam-Mittelmark: Leben ist schön

Auf einer Glindower Obstwiese erlebten 16 Kinder die Leichtigkeit des Seins – ganz im Gegensatz zu ihrem Alltag

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Werder (Havel) - Der alte knorrige Obstbaum, der auf einer Streuobstwiese unweit des Panoramaweges in den Werderaner Obstplantagen steht, wird nicht mehr viele Früchte tragen. Er ist zu schwach. Doch neben ihm ist gerade ein neuer Baum gepflanzt worden. Der Anlass war ein trauriger. Ein an Leukämie erkranktes Kind war gestorben und im Rahmen des Abschiednehmens wurde der neue Baum gepflanzt. Als Symbol neuen Lebens.

Baumpaten sind 16 Kinder, die die vergangene Woche täglich auf der Streuobstwiese verbrachten. Die Geschwister der drei- bis zwölfjährigen Mädchen und Jungen sind an Krebs erkrankt. Oft bestimmt die Krankheit des Bruders oder der Schwester auch den Alltag der Geschwister. „Die Belastung für die gesunden Kinder ist enorm“, sagt Familientherapeutin Martina Geiersberg von der Björn-Schulz-Stiftung. „Oft übernehmen sie Rollen und eine Verantwortung in ihren Familien, die alles andere als kind- und altersgerecht sind.“ Zwar werden die Geschwisterkinder im Rahmen der Familienbegleitung der Björn-Schulz-Stiftung betreut, doch die Tage auf der Streuobstwiese waren eine vollkommen neue Erfahrung – für Kinder und Betreuer. „Kind zu sein, spielen zu können und Natur zu erleben, birgt ein großes Heilpotenzial“, sagt Geiersberg. Die Erfahrung, dass es eine Gemeinschaft gibt, der Gewinn eines Urvertrauens ins Leben und für eine Welt, die hilfreich, heilsam und wohlklingend ist, wirke nachhaltig auf die Kinder.

Für den Wohlklang während der vergangenen Woche war Hanna Schäfer zuständig. Die Musiktherapeutin arbeitet an der Kreismusikschule, die Partner des Sommerprojekts war. „Die Trauer und die Last, die diese Kinder ständig unterschwellig spüren, soll Raum bekommen. Und im musikalischen Spiel passiert genau das“, beschreibt Schäfer einen Teil ihrer Arbeit. Musik war in verschiedenen Facetten Gast auf der Streuobstwiese: Es wurde getanzt, getrommelt, gesungen. So verwandelte sich die Wiese in einen Klangparcours aus Instrumenten, die von den Kindern gebaut wurden.

Neben den musiktherapeutischen Elementen habe Familientherapeutin Geiersberg die Gespräche der Kinder untereinander als hilfreich wahrgenommen. Von anderen zu hören, dass sie die gleichen Sorgen und Ängste haben, ähnliche Situationen erleben und dieselben Rollen ausfüllen, habe ihnen das Gefühl gegeben, die Last nicht allein zu tragen. Sich als Gleichgesinnte zu erleben, hätten die Kinder als Bereicherung empfunden.

Hinter der Idee der Ferienwoche steht der Zuckerbaum e.V. Der junge Verein von der Berliner Unternehmerin Karin Wiserner wurde erst vor wenigen Wochen gegründet. Die Immobilienmaklerin war auf der Suche nach einem Platz für einen alten, verpflanzbaren Walnussbaum und fand die Obstwiese in Glindow. Der Ort erinnerte sie sofort an ihre Kindheit in Siebenbürgen: Im Garten ihrer Großmutter habe ein großer Apfelbaum gestanden, den sie Zuckerbaum nannten. Für ihre Idee, die Obstwiese als „Kinder-Garten“ zu gestalten, habe sie schnell Unterstützung erhalten. Unternehmer aus Glindow und Werder hätten sie vor Ort bei der Kultivierung der Wiese unterstützt. Bei der Björn-Schulz-Stiftung stieß sie mit ihrem Vorschlag für das Kinder-Projekt schnell auf Begeisterung. Finanzielle Unterstützung bekam der Verein gemeinsam mit der Stiftung und der Kreismusikschule vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Initiative „Bildung macht STARK“.

Karin Wiserner ist selbst überrascht, wie schnell alles ging. Ideen für weitere Projekte hat die Vereinsvorsitzende viele. Ein Ziel ist die Gestaltung eines Erinnerungsgartens als Ort der Besinnung und der Freude mit Obstbaumpatenschaften für traurige und glückliche Ereignisse.

Peter Könnicke

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